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International Prag: Der heimliche Wahlgewinner will nicht koalieren

Die Sozialdemokraten haben die Wahl in Tschechien gewonnen. Trotzdem wird es kaum zu einer linken Regierung kommen. Zünglein an der Waage spielt der Milliardär Andrej Babis. Doch was will der eigentlich?

Zwar haben die Sozialdemokraten die Wahlen gewonnen – doch in Tschechien ist seit der Schliessung der Wahllokale praktisch nur vom Zweitplatzierten die Rede: Andrej Babis, dem zweitreichsten Mann des Landes. Sein Vermögen beträgt mehr als zwei Milliarden Euro.

Der gebürtige Slowake hatte nach der Wende in den 1990er Jahren sein Geld mit der Privatisierung von landwirtschaftlichen Genossenschaften gemacht. Heute gehört ihm ein internationales Firmenkonglomerat mit rund 34'000 Beschäftigten und sechs Milliarden Euro Jahresumsatz.

Partei der Unzufriedenen

Babis ist so reich, er bräuchte eigentlich nicht mehr zu arbeiten. Doch tatenlos herumzusitzen ist seine Sache nicht. Im Wahlkampf zeigte sich der 59-Jährige im Fernsehen nicht nur als hemdsärmeliger Geschäftsmann, sondern auch als hart trainierender Sportler: Im Kraftraum drischt er auf Boxsäcke ein und anschliessend streicht er seiner viel jüngeren Ehefrau beim Energydrink durchs blonde Haar.

Die Leidenschaft für die Politik will Babis erst vor zwei Jahren entdeckt haben. Er habe die Nase voll gehabt, die Konservativen mit Wahlkampfspenden zu versorgen, nur damit diese einen Skandal nach dem anderen produzierten, sagt er. Also gründete der Unternehmer die Bewegung ANO, das tschechische Wort für Ja, das er aber als Kürzel für «Partei der unzufriedenen Bürger» verwendet.

Keine Lust auf Regierungsverantwortung

Welche politische Vision hat aber Babis? Was hat er im Parlament zu bieten, was will er? Das wisse er noch nicht, sagte Babis mit entwaffnender Offenheit beim ersten Interview nach der Wahl. Als politisch unerfahrener Parlamentsneuling müsse er sich nun zuerst einmal orientieren. Selber regieren – darauf habe er aber keine Lust.

Ob er denn wenigstens sagen könne, welche politische Richtung er unterstütze, fragte der Journalist im Fernsehen sodann. «Keine Ahnung», sagte der Milliardär mit kommunistischer Vergangenheit. Die Sozialdemokraten zu unterstützen, könne er sich nicht vorstellen. Er wolle keine höheren, sondern tiefere Steuern. Und die Bürgerlichen seien so diskreditiert, mit denen sei kein Staat zu machen.

Babis' Ziele und Motive liegen völlig im Dunkeln. Nie hat er sich auf ein Programm festgelegt. Und trotzdem wurde er von einem Fünftel der Tschechinnen und Tschechen gewählt – ein klarer Ausdruck des Protests gegen die herrschenden Verhältnisse.

Wirtschaftliche, publizistische und politische Macht

Der Publizist Daniel Kaiser sieht Babis's Erfolg mit Sorge, denn der vereint nicht nur wirtschaftliche und politische, sonder auch mediale Macht. Denn Babis hat im Sommer handstreichartig die beiden wichtigsten Prager Tageszeitungen gekauft und mischt jetzt auf dem Medienmarkt mit.

Eine solche Machtkonzentration – fast wie bei Berlusconi in Italien – das habe es in Tschechien bisher nicht gegeben, sagt Daniel Kaiser.

Tschechien zwei Tage nach der Wahl: das Land befindet sich politisch mehr denn je in einer Sackgasse.

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