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International Rasseln mit «Plastiksäbeln» auf dem Balkan

Die beiden früheren Kriegsfeinde Serbien und Kroatien verkünden demonstrativ, schlagkräftige Waffen einzukaufen. Zumindest Serbiens Taktik scheint klar: Das Land will in die EU. Um aber die Widerstände gegen den EU-Kurs im eigenen Land zu überwinden, muss ein Feindbild her.

Steuert der Balkan allmählich wieder auf einen Krieg zu? Die beiden früheren Kriegsfeinde Kroatien und Serbien reden demonstrativ über den Kauf schlagkräftiger Waffen – Kroatien will ein Raketensystem von den USA kaufen und Serbien von Russland. Die Boulevard-Medien in beiden Ländern lassen die Emotionen hochgehen.

Stolz hielt Aleksandar Vucic das Modell eines S-300 Raketen-Systems in die Kamera. Russlands Vize-Regierungchef Dmitrij Rogozin brachte es ihm letzte Woche nach Belgrad mit und überreichte es ihm vor versammelter Presse.

Serbiens Regierungschef reagierte damit demonstrativ auf die Rüstungspläne des alten Kriegsfeinds Kroatien. Dieses hat vor ein paar Monaten angekündigt, es wolle aus alten US-Beständen das Mehrfach-Raketensystem M270 beschaffen.

Boulevard-Presse schürt Emotionen

In beiden Ländern berichtet die Boulevard-Presse aufgeregt über die militärischen Vorhaben und schreibt fette Schlagzeilen. Es wirkt, als wäre ein gefährliches Wettrüsten ausgebrochen. Die Politiker sprechen zwar keine Drohungen aus, aber sie schlagen Töne an, wie sie auf dem Balkan viel zu hören sind.

Das heisst, sie beteuern ihre friedlichen Absichten und auf jeden ihrer versöhnlichen Sätze lassen sie gleich ein «Aber» folgen, hinter dem sich eine weniger friedfertige Haltung und sehr viel Misstrauen verbergen. Kroatiens Verteidigungsminister Kotromanovic zum Beispiel sagte vor Journalisten, Serbiens Premier Vucic habe keinen Grund nervös zu werden. «Wir haben keine feindlichen Absichten gegenüber Serbien», aber als Mitglied der Nato habe Kroatien das Recht, seine Verteidigung selber zu organisieren.

Audio
Säbelrasseln auf dem Balkan
aus Rendez-vous vom 19.01.2016.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 25 Sekunden.

Für echtes Aufrüsten fehlt Geld

Trotz der medialen Aufregung und der passiv-agressiven Töne der Politiker – Verteidigungs-Experten in beiden Ländern haben nicht den Eindruck, dass die Kriegsgefahr gewachsen ist. Aus dem einfachen Grund, dass das Geld für ein echtes Aufrüsten fehlt. Der serbische Premier Vucic liess es in seiner Antwort auf Kotromanovic durchblicken. «Verzichetet einfach auf den Kauf des Mehrfach-Raketensystems. Dann haben wir kein Problem. Verzichtet auf euer offensives System, dann verzichten wir auf ein defensives System. Wir haben im Moment kein Geld zum Wegwerfen», sagte Vucic.

Auch eine zweite Gefahr ist nicht so gross, wie man zuerst meinen könnte. Wenn Serbien mit Russland über den Kauf von Raketen spricht, heisst das nicht, dass es sich vom Westen abwendet. Vucic braucht im Kampf gegen die internationale Anerkennung Kosovos als unabhängiger Staat zwar Russlands Unterstützung, aber er kann die wirtschaftlichen Probleme Serbiens nur lösen, wenn er das Ziel der EU-Mitgliedschaft weiter verfolgt.

Heraufbeschwören von Feinden hat sich bewährt

Warum dann der grosse Lärm? Der wichtigste Grund liegt in der serbischen Innenpolitik: Vucic will in die EU. Das wird aber zuerst einmal soziale Härten zur Folge haben und viele Serben werden sich nicht darüber freuen. Sie tragen der Nato die Bombardierungen von 1999 nach.

Um die Widerstände gegen den EU-Kurs zu überwinden, will Vucic im Frühling Neuwahlen abhalten – zwei Jahre früher als vorgesehen. Und dafür muss er die Bevölkerung hinter sich scharen. Das Heraufbeschwören von Feinden hat sich in solchen Situationen meist bewährt.

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