- Der irische Regierungschef Leo Varadkar hat überraschend seinen Rücktritt angekündigt.
- In einer emotionalen Stellungnahme in Dublin nannte der liberal-konservative Politiker «sowohl persönliche als auch politische Gründe».
- Der 45-Jährige will das EU-Land noch interimsweise führen, bis nach der Osterpause eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger gewählt ist.
Den Vorsitz seiner Partei Fine Gael legte Varadkar mit sofortiger Wirkung nieder. Der Schritt kurz nach dem Feiertag St. Patrick's Day und der damit verbundenen traditionellen Reise nach Washington zum irischstämmigen US-Präsidenten Joe Biden überraschte nicht nur Varadkars Koalitionspartner.
Auch der scheidende Varadkar wirkte bei seiner kurzen Ansprache vor dem Regierungsgebäude, bei dem er von mehreren Parteimitgliedern flankiert wurde, überrascht, wie der Sender RTÉ kommentierte. «Ich bin sicher, dass die Wiederwahl dieser Drei-Parteien-Regierung das Richtige für die Zukunft unseres Landes sein wird», sagte der scheidende Taoiseach, wie das Amt offiziell auf Irisch heisst.
«Nach sorgfältiger Überlegung glaube ich, dass ein neuer Taoiseach besser in der Lage sein wird als ich, dies zu erreichen. Nach sieben Jahren im Amt denke ich, dass ich nicht mehr die richtige Person dafür bin.» Die nächste Parlamentswahl muss spätestens zu Frühlingsbeginn 2025 erfolgen.
Krachende Niederlagen und Fettnäpfchen
Zuletzt hatte die Regierung bei zwei Volksabstimmungen eine krachende Niederlage erlitten. Gegen ihre Empfehlung stimmte eine Mehrheit gegen Verfassungsänderungen, die veraltete und sexistische Sprache ändern sollten.
So sollte der Familienbegriff erweitert werden, damit auch unverheiratete Paare explizit eingeschlossen sind. Ausserdem sollten Formulierungen wie «häusliche Pflichten» der Frau ersetzt werden. Kritiker machten das chaotische Vorgehen der Regierung für das Scheitern verantwortlich.
Varadkar hat die irische Politik in den vergangenen Jahren geprägt. Mit seinem unkonventionellen Stil eckte der Sohn eines Inders und einer Irin oft an, der offen homosexuell lebende Politiker scheute klare Worte nicht.
«Bei seinem Amtsantritt war der studierte Mediziner mit 38 Jahren der jüngste Regierungschef in der Geschichte des Landes,» betonte SRF-Korrespondent Patrik Wülser. Gelobt wurde er für seine Rolle bei der Umsetzung des Brexits auf der irischen Insel.
Seine moderne Amtsführung öffnete die streng katholische Gesellschaft nach Ansicht von Kommentatoren weiter. Er sei stolz, dass er beigetragen habe, Irland moderner und gleichberechtigter zu machen, sagte er in seiner Rücktrittsankündigung.
Auch Politiker haben Grenzen
«Es gibt nie den richtigen Zeitpunkt, mein Amt niederzulegen», sagte Varadkar. Nun sei jedoch ein besserer als sonst. «Der Haushalt für 2024 ist fertig, die Verhandlungen über den nächsten haben noch nicht begonnen.» Auch die politische Lage in Nordirland habe sich beruhigt und die Beziehungen zum wichtigen Nachbarn Grossbritannien seien nach dem Brexit wieder gut und stabil, sagte Varadkar.
Er deutete zudem Erschöpfung mit dem Amt an. Er empfehle zwar jedem eine politische Karriere. «Allerdings sind Politiker Menschen, und wir haben unsere Grenzen. Wir geben alles, bis wir nicht mehr können, und dann müssen wir etwas anderes machen», sagte Varadkar. Er betonte, er habe noch keinen Plan für die Zukunft. Berichten zufolge könnte Varadkar nach der Europawahl im Juni aber auf einen Posten in der EU-Kommission spekulieren.