Wenn sich einmal im Jahr die Unterzeichnerstaaten des Chemiewaffenverbots treffen, ist das normalerweise keine spektakuläre Angelegenheit. Doch diesmal werden in Den Haag, am Sitz der internationalen Chemiewaffenbehörde OPCW, die Wogen hoch gehen. Der Syrienkonflikt und die Frage, wer dort C-Waffen eingesetzt hat, sorgt dort ab heute für heftigen Streit.
Ausgelöst hat ihn ein Untersuchungsbericht der UNO und der OPCW. Deren Ermittler kamen zum Schluss, dass die syrische Regierung im Frühjahr in Chan Scheichun das Giftgas Sarin eingesetzt habe. Das erklärte im UNO-Sicherheitsrat deren Chef, Edmond Mulet. Bei dem Angriff kamen 80 Menschen ums Leben.
Der Schlussbericht ist ein Witz. Was da drin steht, ist kompletter Unsinn.
Russland akzeptiert diese Schuldzuweisung nicht, obschon es zuvor mithalf, die Kommission einzusetzen und in der OPCW bislang eine wichtige und konstruktive Rolle spielte. Moskaus UNO-Botschafter Vassily Nebenzia gebrauchte deutliche Worte: «Der Schlussbericht ist ein Witz. Was da drin steht, ist alles Unsinn, kompletter Unsinn.»
Russland blockiert deshalb mit seinem Veto weitere Ermittlungen über Giftgaseinsätze in Syrien. Für die meisten übrigen UNO-Mitglieder heisst das: Moskau will so verhindern, dass sein Schützling Baschar al-Assad erneut belastet wird.
Streit gefährdet bisherigen Erfolg
Das Chemiewaffenabkommen ist das bislang weitaus erfolgreichste Verbot einer ganzen Waffengattung. Zehntausende Tonnen von C-Waffen wurden bisher vernichtet. Der überwiegende Teil der Welt ist inzwischen chemiewaffenfrei.
Doch mit dem syrischen Regime verletzt jetzt erstmals ein Unterzeichnerstaat das Abkommen. OPCW-Generaldirektor Ahmet Üzümcü klagt: «In Syrien ist unsere Arbeit leider noch nicht zu Ende.» Doch es fragt sich, wie die OPCW künftig weiterarbeiten soll, wenn die beiden einflussreichsten Mächte in Syrien, Russland und Iran, ihr das Vertrauen entziehen.
Gespaltene OPCW
Für die Chemiewaffenbehörde ist das gravierend. Quasi über Nacht wird die Dynamik zur Abschaffung aller C-Waffen weltweit gestoppt, die der Organisation vor vier Jahren den Friedensnobelpreis eintrug.
Auf einmal ist die OPCW gespalten. Statt wie bisher im Konsens dürfte künftig nach Mehrheiten entschieden werden. Die Welt zieht nicht mehr an einem Strick beim Kampf gegen eine der brutalsten Waffen, die der Mensch je erfunden hat.