Zum Inhalt springen

Schuldig wegen Völkermords Die wichtigsten Fakten zum Mladic-Prozess

Der serbische Ex-General muss lebenslänglich ins Gefängnis. Ein Überblick.

Das Urteil. Das UNO-Kriegsverbrechertribunal hat den ehemaligen Armeechef der bosnischen Serben, Ratko Mladic, wegen des Massakers von Srebrenica und weiterer Kriegsverbrechen zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Richter in Den Haag sprachen ihn in zehn der elf Anklagepunkte – unter anderem wegen Völkermords – schuldig und folgten mit dem Strafmass am Mittwoch dem Antrag der Staatsanwaltschaft.

Während der Urteilsverkündung war Mladic aus dem Gerichtssaal entfernt worden, nachdem er lautstark protestiert hatte. Die Verteidigung hatte zuvor erfolglos gefordert, die Urteilsverkündung abzukürzen, weil der Blutdruck des Angeklagten angeblich gefährlich hoch sei. Mladic will Berufung gegen das Urteil einlegen.

Die Verbrechen. Unter Mladics Kommando überrennen am 11. Juli 1995 bosnisch-serbische Einheiten die damalige UNO-Schutzzone Srebrenica. Die Blauhelme der Vereinten Nationen leisten keinen Widerstand, Zehntausende Flüchtlinge sind in Panik. In den folgenden Tagen werden etwa 8000 muslimische Männer und Buben ermordet. Aber auch weitere «ethnische Säuberungen» in mehreren Dörfern fielen laut Anklage in Mladics Verantwortung. Hinzu komme jene für die Belagerung und Beschiessung Sarajevos, bei der mindestens 10'000 Menschen getötet wurden sowie die Geiselnahme von UNO-Blauhelmen.

Die Verteidigung. Einen Freispruch forderte in den Haag Mladics Anwalt Branko Lukic. Es habe in Srebrenica Verbrechen gegeben, Mladic sei jedoch nicht daran schuld: «Die Richter stehen noch immer unter dem Einfluss westlicher Propaganda. Ratko Mladic hat alles in seiner Macht unternommen, um Verbrechen zu stoppen.» Sein Mandant sei ein früher Kämpfer gegen den islamischen Extremismus gewesen und habe lediglich sein Volk verteidigt.

Mladic will Berufung gegen das Urteil einlegen. Das teilten sein Verteidiger sowie der Sohn mit. Das Gericht habe die Tatsachen falsch bewertet, erklärte Darko Mladic: «Gerechtigkeit wurde durch Propaganda ersetzt.»

Der Angeklagte. Ratko Mladic wird angesichts der Gräueltaten während des Bosnien-Krieges auch «der Schlächter vom Balkan» genannt. 1992 wird er Armeechef der bosnischen Serben und plante gemeinsam mit Radovan Karadzic die Errichtung eines Gross-Serbiens. Militärisch ist er zunächst ausserordentlich erfolgreich. Erst 1995 werden die Serben von den Kroaten und Muslimen mit Unterstützung der Nato-Luftwaffe zum Rückzug gezwungen. Später lebt er trotz internationalem Haftbefehl bis zu seiner Verhaftung fast unbehelligt in Serbien.

Der Prozess. Die 530 Prozesstage in Den Haag förderten eine erdrückende Beweislast gegen Mladic zutage. Hunderte Zeugen berichteten beispielsweise von Erschiessungen und wie Leichen zerstückelt und auf verschiedene Gräber aufgeteilt wurden. Ein Mädchen schilderte, wie es wochenlang immer wieder von Soldaten-Gruppen vergewaltigt wurde. Zudem werden bis heute immer wieder Massengräber entdeckt. Die Prozessakten füllen fast eine Million Seiten.

Die serbische Kritik am Prozess. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag gilt vielen Serben als parteiisch und antiserbisch. Das Gericht habe einseitig gegen Serben gearbeitet, sagte erst vor wenigen Tagen Regierungschefin Ana Brnabic. Damit habe es nicht zur Versöhnung, sondern im Gegenteil zur Verschärfung der Konflikte auf dem Balkan beigetragen. Ratko Mladic gilt in weiten Teilen der Bevölkerung noch als Kriegsheld, der seine Landsleute in Bosnien nur vor dem sicheren Untergang bewahrt hat. Die serbische Politik leugnet bis heute den Völkermord in Srebrenica.

Der Chefankläger Serge Brammertz sagt hingegen, das Tribunal habe mit den Verfahren gegen Karadzic und Mladic seinen Beitrag zur Versöhnung geleistet. Nun sei es an den Balkanländern, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten.

Die Rolle der UNO-Blauhelme. Auch den Vereinten Nationen kommt rund um das Massaker von Srebrenica eine unrühmliche Rolle zu. Denn die Staatengemeinschaft hatte den Völkermord nicht verhindert, und niederländische UNO-Blauhelmsoldaten hatten keine andere Wahl, als sich den Truppen von Mladic kampflos zu ergeben.

Die weiteren Verantwortlichen. Als zweiter Hauptverantwortlicher für die Verbrechen von Srebrenica gilt der damalige Serbenführer Radovan Karadzic. Er wurde im März 2016 zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt. Das Berufungsverfahren läuft noch. Der frühere Präsident Jugoslawiens, Slobodan Milosevic, starb vor Abschluss des Prozesses 2006 in seiner Zelle in Den Haag. Insgesamt waren 20 Männer wegen der Verbrechen in Srebrenica angeklagt. 15 wurden bisher für schuldig befunden, einer wurde aus Mangel an Beweisen freigesprochen.

Vier lebenslängliche Urteile

Meistgelesene Artikel