Soziale Medien und digitale Technologien können bei der Friedensförderung hilfreich sein. Einer, der die Möglichkeiten und Grenzen der modernen Kommunikationsmittel bereits ausgelotet hat, ist Alexander Hug. Er spricht über seine Erfahrungen aus dem Ukraine-Konflikt.
SRF News: Welche Rolle spielen soziale Medien und Big Data bei der Friedensförderung?
Alexander Hug: Der Dialog zwischen den einzelnen Bevölkerungsteilen hat via Nutzung von Informationstechnologie grosse Fortschritte gemacht. Es wäre fehl am Platz, wenn die Friedensförderung hier nicht Schritt halten würde und dementsprechend nicht auch Gebrauch machen würde von dieser neuen Technologie.
Nun spricht man in der Forschung von vernetztem Frieden, von sogenannten Friedenstechnologien oder Peace Tags. Was bedeutet das konkret?
Da ist einerseits das Gebiet der sozialen Medien, auf dem Dialoge stattfinden. Dort werden Informationen ausgetauscht und eingebracht. Andererseits gibt es die Technologie, die mit deren Hilfe zum Beispiel Friedensabkommen beobachtet werden. Dazu gehören Drohnen und Kameras und anderes.
Die Friedenstechnologien gewinnen zunehmend an Bedeutung, sei es für Staaten, NGOs oder lokale zivilgesellschaftliche Bewegungen. Was sind da die wichtigsten Anwendungsgebiete?
Ein Bereich ist der Dialog, in dem sich getrennte Bevölkerungsgruppen über die sozialen Medien austauschen können. Ein anderer ist, damit die öffentliche Aufmerksamkeit auf humanitäre Notstände zu lenken. Weiter wird jeder Zivilist, der ein Mobiltelefon hat, zu einem Journalisten und kann beispielsweise über das Nichteinhalten eines Waffenstillstandes berichten. Der letzte Anwendungsbereich ist das Teilnehmen der Nichtregierungsorganisationen und der Zivilisten an Friedensverhandlungen.
Eine Frühwarnung mittels sozialer Medien ist möglich.
Regierungen und internationale Organisationen hoffen, mit Hilfe von sozialen Medien und Big Data Konflikte präziser vorhersehen zu können und damit Menschenleben zu retten. Sehen Sie diesen Effekt auch?
Eine Frühwarnung mittels sozialer Medien ist möglich. Man kann tatsächlich Anzeichen neuer Spannungen in einem bestehenden Konflikt vorhersehen. Schwieriger ist, frühzeitig Schritte umzusetzen, um diese Erkenntnisse durch Massnahmen zu unterstützen.
Sie waren 2014 bis 2018 stellvertretender Missionschef der OSZE in der Ostukraine. Welche Rolle spielten soziale Medien in diesem Konflikt und bei der Suche nach einer Lösung?
Es ist interessant, im Zusammenhang mit der Ukraine darauf hinzuweisen, dass die Proteste, die am Anfang der Bewegung vom Maidan standen, durch einen Tweet von 2013 ausgelöst wurden.
Es kann sein, dass Informationen, die man als Friedensförderer über die sozialen Medien verteilt, den Konflikt anfeuern, anstelle ihn einzudämmen.
Der Krieg selbst hat im Frühling 2014 begonnen und früh schon wurde klar, dass sich die betroffenen Bevölkerungsteile aktiv via soziale Medien über die Entwicklung an Kampfgeschehen ausgetauscht haben. So wurde einander mitgeteilt, wenn es einen Stromausfall gab, wenn Bewegungen von militärischen Transportmitteln vor der eigenen Haustür gesichtet wurden und so weiter. Das hat der Beobachtungmission geholfen, sich am richtigen Ort aufzuhalten und die Behauptungen zu überprüfen. So konnte sie den Staaten der OSZE, aber auch der breiten Öffentlichkeit verifizierte Tatsachen unterbreiten.
Sehen Sie auch Gefahren, wenn die sozialen Medien so einbezogen werden?
Einerseits besteht die Gefahr, dass sich der Friedensförderer auf falsche Informationen verlässt oder dass er nicht das ganze Bild sieht, wenn ein Teil, der sich Bekämpfenden keinen richtigen Zugang zum Internet hat. Dann zieht man falsche Schlüsse. Es kann auch sein, dass Informationen, die man als Friedensförderer über die sozialen Medien verteilt, den Konflikt anfeuern, anstelle ihn einzudämmen.
Das Gespräch führte Marlen Oehler.