SRF News: Welche Reaktionen hat das Video ausgelöst?
Jan Opielka: Das Video wird unterschiedlich aufgenommen. Bei den Anhängern der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (Pis) kommt es ganz gut an. Bei Beobachtern und der Opposition kommt es eher schlecht an. Es hat eine sehr vereinfachte Form. Es enthält das Kaninchen-Element, das in Polen eine eher negative Konnotation hat.
Der polnische Gesundheitsminister verteidigt sich damit, dass die Kampagne genau durch diese Provokation auf ein wichtiges Problem aufmerksam machen soll. Er hat sein Ziel also erreicht.
So könnte man es interpretieren. Wenn man sich den Videoclip ansieht, merkt man allerdings, dass es dem Problem nicht auf den Grund geht. Verantwortlich dafür, dass die Geburtenrate in Polen so tief ist und seit dem Ende der Sowjetunion beständig sinkt, ist die mangelnde soziale Sicherheit der Leute – nicht ihre Ernährung.
Es ist aber gang und gäbe, dass Arbeitgeber schwangere Frauen entlassen. Das wird im Video gar nicht erwähnt.
Das äussert sich vor allem in der Arbeitswelt: Viele Frauen, die Kinder bekommen wollen, haben einen schlechten Status bei ihrem Arbeitgeber. Frauen hätten eigentlich das Recht, nach einer Schwangerschaft zu ihrem Arbeitgeber zurückzukehren. Es ist aber gang und gäbe, dass Arbeitgeber diese Frauen entlassen. Das wird im Video gar nicht erwähnt.
Die katholische Kirche hat einen starken Einfluss auf die polnische Gesellschaft. Schafft sie es nicht, die Geburtenrate zu erhöhen?
Ich glaube nicht, dass die katholische Kirche darauf grossen Einfluss hat. Das zeigen auch Statistiken aus anderen EU-Ländern. Eine starke Kirche korreliert nicht unbedingt mit der Geburtenrate. Frankreich ist da das beste Beispiel: Es zeigt, dass eine starke und intensive Familienpolitik die Menschen dazu bringt, Kinder zu bekommen, wenn sie es denn wollen. Die Familienpolitik in Polen war in den letzten Jahren sehr schlecht und wurde von vielen Polinnen und Polen auch so bewertet. Das ist der Grund, wieso die Geburtenrate und die Situation von Familien und Kindern relativ schlecht ist.
Frankreich zeigt, dass eine starke und intensive Familienpolitik die Menschen dazu bringt, Kinder zu bekommen, wenn sie es denn wollen.
Gibt es in Polen Vorstösse, die für mehr Familienfreundlichkeit sorgen sollen?
Es gibt ein Programm, das inzwischen auch zum Symbol für die hohe Zustimmung der Pis-Regierung wurde. Das Programm heisst «500 Plus» und umfasst die Neueinführung eines Kindergeldes. 500 steht dabei für 500 Zloty, das sind umgerechnet 120 Euro. Für polnische Verhältnisse ist das sehr viel Geld. Es bedeutet, dass das Haushaltseinkommen für die Familien um durchschnittlich 16 Prozent gestiegen ist. Bei ärmeren Familien bedeutet es sogar einen Anstieg von 20 bis 30 Prozent. Das hat tatsächlich die Situation von Millionen von Familien verbessert.
Das Gespräch führte Roger Aebli.