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Interview mit Markus Somm zum Regierungswechsel in den USA
Aus SRF 4 News aktuell vom 19.01.2017.
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Gegen das Establishment? «Trumps Positionen sind revolutionär»

Donald Trump im Weissen Haus ist für viele ein Albtraum. Nicht so für Markus Somm. Der Journalist erklärt, was Trump mit Lenin, Alfred Escher oder Christoph Blocher zu tun hat.

SRF News: Sie bezeichnen die Wahl Trumps als Revolution. Weshalb?

Markus Somm: Man spricht von einer Revolution, wenn sich die Dinge sehr unerwartet und sehr rasch verändern. Wenn man die amerikanische Geschichte anschaut, dann ist es offensichtlich, dass es noch nie ein so extremer Aussenseiter geschafft hat, ins Weisse Haus zu kommen wie Donald Trump. Er ist eine absolute Ausnahmeerscheinung. Ob diese Revolution gut ausgeht oder schlecht, ist offen.

Ihr Beitrag zu Trump in der «Basler Zeitung» hatte den Titel «Friede den Hütten, Krieg den Palästen». Mit diesem Aufruf hat der deutsche Dichter Georg Büchner in den 1830er-Jahren die Unterdrückung und Ausbeutung des einfachen Volkes scharf kritisiert. Sehen Sie in den USA wirklich eine Revolution von unten?

Eindeutig. Hillary Clinton stand natürlich für eine Elite, die bei den Demokraten wie auch den Republikanern sehr stark vertreten ist und das Land mehr oder weniger von Washington aus in ihrem Sinne gestalten konnte. Der grosse Teil der Bevölkerung fühlte sich währenddessen nicht vertreten. Das ist der Grund, warum überhaupt ein solcher Aussenseiter an die Macht kommt.

Man muss das Ganze auch historisch betrachten: Es ist immer so: Wenn ein Aussenseiter, der nicht zum Machtestablishment gehört – und Trump gehört nicht zu den politischen Akteuren in Washington – dann ist das immer eine revolutionäre Stimmung. Und deshalb habe ich auch Büchner zitiert. Im 19. Jahrhundert war es eine konservative Elite, die sich gegen die Liberalen verteidigte. Heute ist es eher eine globale, paternalistische Elite, die ihre Pfründe verteidigt und diese hat Trump jetzt offensichtlich angegriffen.

Es sind immer Leute aus der Elite, die ausscheren und dann die Dinge in die Hand nehmen.

Das einfache Volk hat sich gegen die Eliten erhoben. Ist das nicht ein Mythos? In Trumps Regierung sitzen ja keine Arbeitslosen aus dem Rustbelt, sondern Millionäre und Milliardäre.

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Das ist ein Missverständnis. Erstens müssen Sie einen Blick in die Geschichte werfen: Revolutionen geschehen eigentlich immer durch Elitenkonflikte. Es sind immer Leute aus der Elite, die ausscheren und dann die Dinge in die Hand nehmen. Beispielsweise Alfred Escher: Er kam aus einer der ältesten Familien Zürichs. Und trotzdem wurde er der Führer der Liberalen, welche damals die Opposition waren. Das Gleiche gilt auch für Lenin.

Und zweitens läuft der Konflikt heute sehr stark zwischen einer politischen Elite und einer Manager-Elite auf der einen Seite und den eigentlichen Unternehmern, die Besitzer sind auf der anderen Seite. Diese können sehr reich sein – das ist nicht der Punkt – es geht eher darum, ob sie im Machtzirkel von Washington schon dabei gewesen sind. Wenn ich das Kabinett anschaue, ist das zum Teil so und zum Teil nicht. Aber Trump selber steht natürlich für diesen Wechsel.

Markus Somm

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Somm begann seine Laufbahn beim «Aargauer Volksblatt». Später war er Bundeshauskorrespondent des «Tages Anzeigers» und stellvertretender Chefredaktor der «Weltwoche». Ausserdem publizierte er Biographien über Henri Guisan und Christoph Blocher. Anfangs 2010 wurde Somm Chefredaktor der «Basler Zeitung», 2014 wurde er zudem Verleger der Zeitung.

Sind es nicht eher Mächtige, die so tun als wären sie das Volk und so ihre Macht, die sie schon immer hatten, zementieren?

Da unterschätzen Sie das Volk. Sie kennen ja die Diskussion über Christoph Blocher. Er gehört eigentlich auch zum Establishment, das ist keine Frage. Und trotzdem hat er eine Nase für Meinungen und Positionen, die in der breiten Bevölkerung offensichtlich auf Zustimmung stossen.

Das ist bei Trump auch ein bisschen so. Es spielt gar keine Rolle, ob er selber Teil der Elite ist. Entscheidend ist: Was für Positionen vertritt er? Ein Beispiel sind die Freihandelsabkommen. Diese waren bis anhin praktisch ein Dogma in beiden Parteien. Trump hat das umgestossen. Man kann beobachten, wie die ganze globale Elite nicht damit umgehen kann – das ist neu. Trump war sicher Teil des wirtschaftlichen Establishments, aber seine Positionen sind revolutionär und darum geht es.

Wenn Trump den Arbeitern nicht liefert, ist er in vier Jahren wieder weg.

Dann haben Sie tatsächlich das Gefühl, dass die Regierung Trump versuchen wird, etwas für die einfachen Leute zu tun?

Er hat das versprochen. Den Wahlkampf hat er im Rustbelt gewonnen. Das waren Gebiete, die seit Jahrzehnten in demokratischer Hand waren mit vielen Arbeitern und einfachen Leuten. Denen hat er sehr viel versprochen und er muss ihnen nun etwas liefern. Wenn er das nicht macht, ist er in vier Jahren wieder weg. Aber gleichzeitig ist klar: Er meint das ernst. Ob es gelingt oder ob er dann in zwei Jahren etwas müde ist – kann alles sein, aber dann wird er wieder abgewählt.

Das Gespräch führte Christoph Kellenberger.

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