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International «Tsipras will seinen Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen»

Auch das jüngste Treffen der Euro-Finanzminister mit Griechenland hat keine Einigung gebracht. Man begrüsse aber «den Fortschritt, der bisher erreicht wurde», heisst es in einer Erklärung. Das sei ein Zeichen, dass die Regierung in Athen kooperieren wolle, sagt Journalistin Corinna Jessen.

SRF News: Die Euro-Finanzminister sprechen von einem «Fortschritt» bei den Verhandlungen mit Griechenland. Ist das Schönfärberei?

Corinna Jessen

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Corinna Jessen ist freie Journalistin in Athen, Korrespondentin für mehrere deutschsprachige Tageszeitungen und Mitarbeiterin des ZDF. Sie ist in Athen geboren und aufgewachsen. Studiert hat sie in Deutschland.

Corinna Jessen: Verglichen mit den ersten drei Monaten nach Alexis Tsipras' Amtsübernahme Ende Januar ist in den letzten Wochen tatsächlich Bewegung in die Verhandlungen gekommen. Athen hat in einer Reihe von Punkten Zugeständnisse gemacht – gemessen an den Wahlversprechen zum Teil erhebliche Zugeständnisse. Schönfärben muss da eher der Ministerpräsident vor seinen Wählern, weil er nicht viel hat anders machen können als seine Vorgänger. Sozusagen als letzte Bastion verweigert die griechische Regierung aber bisher weiterhin eine Arbeitsmarkt- und Rentenreform. Weitere Rentenkürzungen könnte Syriza kaum mehr vermitteln, ohne eingestehen zu müssen, völlig in die Knie gezwungen worden zu sein. Dennoch weiss man auch in Athen, dass langfristig eine Rentenreform mit Abschaffung vieler Privilegien kommen muss, um das System am Leben zu erhalten.

Die Griechen haben die fällige Zahlung von 750 Millionen Euro an den IWF in die Wege geleitet. Und das, obwohl es gestern noch Stimmen gab in Griechenland, die sagten: Besser wir zahlen jetzt nicht und behalten das Geld als Druckmittel zurück. Zeigt das, dass sich die moderateren Kräfte durchzusetzen beginnen?

Diese sogar überpünktliche Ankündigung der Zahlung war auf jeden Fall ein Zeichen an die gestrige Eurogruppensitzung, dass die Regierung in Athen Provokationen vermeiden will, dass sie kooperieren will. Diese Botschaft steht durchaus im Gegensatz zur Haltung einiger Hardliner innerhalb der regierenden Syriza-Partei, die eher die Konfrontation suchen, um ihre Position bewahren zu können. Hinter der Zahlung und deren frühzeitiger Ankündigung stand bei den moderateren Kräften um Ministerpräsident Tsipras allerdings auch die Hoffnung, die Eurogruppe zu einer deutlicheren Aussage über die Verhandlungserfolge zu bewegen – etwa Athens Absicht, sich ebenfalls um einen Verhandlungserfolg bemühen zu wollen, in die Abschlusserklärung aufzunehmen. Doch eine solche Erklärung gab es nicht. Brüssel erwartet von nun an offenbar nur noch Schritte der griechischen Seite. Und sollten diese Schritte der Griechen nicht so ausfallen wie erwartet, würden die Kreditgeber Athen dann wohl ein Paket von Massnahmen vorlegen, das Athen nur noch annehmen oder ablehnen könne, so ist es aus Brüssel zu hören.

Der Schuss könnte nach hinten losgehen und die Griechen aus dem Euroraum hinaus katapultieren.

Ein Schritt könnte ja auch sein, das griechische Volk über die Forderungen der internationalen Geldgeber abstimmen zu lassen. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble sagte, er sei offen dafür. Wie erklären Sie sich diese Aussage?

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Griechenland: Finanzminister sprechen von «Fortschritt»
aus SRF 4 News aktuell vom 12.05.2015.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 47 Sekunden.

Ein Referendum würde natürlich insofern die Fronten klären, als dass ein frischer Volksauftrag Tsipras den Weg für weitere Kompromisse freimachen könnte. Dies allerdings nur, wenn sich die Griechen für einen Verbleib im Euroraum unter allen Umständen entscheiden würden. Auf diese Frage dürfte das Referendum dann wohl hinauslaufen. Ein solches Ergebnis würde politische Veränderungen in Griechenland einläuten. Denn weder die linke Opposition innerhalb der Regierungspartei noch der rechtspopulistische Koalitionspartner würden eine völlige politische Kehrtwende mittragen. Dies würde aus der Sicht Schäubles das Terrain sicherlich bereinigen. Aus genau diesem Grund hat übrigens auch Tsipras dieses Referendum ins Spiel gebracht: Um seinen innenpolitischen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das war aber eher eine Drohung. Denn mit Sicherheit ist das Ergebnis einer Abstimmung ja nicht vorherzusagen. Der Schuss könnte also auch nach hinten losgehen und die Griechen aus dem Euroraum hinaus katapultieren. Ob Schäuble das auch für eine Option hält, wage ich nicht zu beurteilen.

Sie sprechen im Konjunktiv. Rechnen Sie denn damit, dass das griechische Volk am Schluss entscheidet?

Das ist nicht zuletzt eine Frage der zur Verfügung stehenden Zeit. Ein Referendum müsste sofort nach einer Einigung mit den Kreditgebern stattfinden, damit die Griechen wüssten, worüber sie überhaupt abstimmen. Diese Einigung müsste dann noch in Form eines Massnahmenpakets durchs Parlament gebracht werden. Und erst danach könnte neues Geld fliessen. Dass das so ablaufen würde, wurde gestern in Brüssel klargestellt. Die Frage ist, ob sich Griechenland bis dahin über Wasser halten kann. Denn die heutige Rate an den IWF ist bereits von einer Notfallrücklage bezahlt worden. Ich denke, das Referendum ist zwar als politisches Druckmittel ins Spiel gebracht worden. Aber ob es umsetzbar ist, ist sehr fraglich.

Das Gespräch führte Tina Herren.

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