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Nikki Haley
Legende: Nikki Haley hatte eine klare Botschaft für diejenigen Staaten, die sich gegen die USA stellten. Keystone
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UNO-Resolution zu Jerusalem Legt euch nicht mit den USA an

Schonungslos offen drohte Washington ärmeren Ländern vor der Abstimmung. «Das lässt Schlimmes befürchten», sagt UNO-Beobachter Andreas Zumach.

«Wer uns nicht unterstützt – diese Namen werden wir uns merken»: Ungewöhnlich direkt sprach die amerikanische UNO-Botschafterin Nikki Haley gestern zur versammelten Weltgemeinschaft. Die Drohung verpuffte weitgehend wirkungslos. Eine überwältigende Mehrheit der Mitgliedstaaten stellte sich gegen den Entscheid von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt von Israel anzuerkennen.

Zwar hat die Resolution der UNO-Vollversammlung lediglich symbolischen Wert und das Abstimmungsergebnis war vorhersehbar. Dessen ungeachtet drohte auch US-Präsident Donald Trump ärmeren Ländern unverhohlen damit, ihnen die Entwicklungshilfe zu entziehen:

Sie nehmen Hunderte Millionen, ja sogar Milliarden Dollar von uns. Lasst sie nur gegen uns stimmen. Wir werden eine Menge sparen.
Autor: US-Präsident Donald TrumpIm Vorfeld der Abstimmung
Mevlüt Cavusoglu
Legende: Die Wortmeldung aus der Türkei reihte sich nahtlos in die gehässige und bittere Debatte ein. Keystone

Auch bei Partnern und Staaten, die sich ein Nein «leisten» konnten, lobbyierten die USA im Vorfeld der Abstimmung heftig. Der türkische Aussenminister Mevlüt Cavusoglu reagierte vor den Vereinten Nationen empört auf die Druckversuche:

Wir lassen uns nicht einschüchtern. Ihr könnt stark sein, deswegen habt ihr aber noch lange nicht Recht!
Autor: Mevlüt CavusogluTürkischer Aussenminister

Andreas Zumach ist Journalist und UNO-Beobachter in Genf. Ihn verwundert nicht, dass es gestern um mehr als die Jerusalem-Frage ging. Nämlich, zumindest aus Sicht der USA, auch um die Frage: Seid ihr für oder gegen uns? Zu den Ländern, die sich auf die Seite der Amerikaner stellten, gehörten (neben Israel) nur weltpolitische Leichtgewichte: Togo, Honduras, Guatemala sowie vier kleine Inselstaaten, darunter auch die Marshallinseln.

Für eine besonders elaborierte Haltung in der Jerusalem-Frage sind diese Länder nicht bekannt. Die mittelamerikanischen Staaten seien jedoch sehr stark von Handelsbeziehungen, Entwicklungs- und Militärhilfe aus den USA abhängig, erklärt Zumach: «Die Pazifikinseln wiederum sind teilweise ebenfalls wirtschaftlich abhängig von den USA. Manche waren früher von den Amerikanern kontrolliertes Territorium, auch Atomwaffentestgebiet.»

Diese Länder waren empfänglich für die «Abstimmungsempfehlung» aus Washington. Und Zumach ist überzeugt, dass es kein blosser Warnschuss war: «Gegenüber schwachen Ländern, vor allem in Afrika, Asien und Lateinamerika, werden die USA ihre Drohungen wahrmachen.»

Die Lehren aus der Geschichte

Es gebe eine ganze Reihe von Fällen, in denen die USA ihr weltpolitisches Gewicht in die Waagschale geworfen hätten, um Resolutionen zu verhindern oder durchzuboxen. Das Arsenal reiche von «mehr oder weniger sanftem diplomatischen Druck» bis zu «harten wirtschaftlichen oder Gewaltandrohungen», sagt der deutsche Journalist.

Am Jemen haben die Vereinigten Staaten etwa, noch lange vor Donald Trump, ein Exempel statuiert: Unter US-Präsident George H. W. Bush reichten die USA 1990 eine Ermächtigungsresolution zur Kriegsführung gegen den Irak ein. Das mausarme Land an der Peripherie der arabischen Welt verweigerte seine Unterstützung für die Resolution, die in den ersten Golfkrieg münden sollte. Wie übrigens auch Kuba.

Die massiven Druckversuche wurden unfreiwillig öffentlich. Zumach, der selber vor Ort war, erinnert sich: «Der damalige US-Botschafter ging nach der Abstimmung zum jemenitischen und sagte: ‹Das war die teuerste Nein-Stimme, die sie jemals abgegeben haben.» Die anwesenden Journalisten konnten mithören: Die Mikrofone waren versehentlich nicht abgeschaltet worden.

Diplomatie mit der Brechstange

Das hinderte die USA allerdings nicht, den Worten Taten folgen zu lassen. Dem damals schon ärmsten Land wurde jegliche Entwicklungshilfe gestrichen. Die reichen und mit den USA verbündeten Staaten dürften für ihre Haltung in der Jerusalem-Frage kaum abgestraft werden. Dagegen droht den ärmeren nun Ungemach, glaubt Zumach:

Es ist wahrscheinlich, dass die ärmsten und abhängigsten Staaten nun die Rechnung zahlen müssen.
Autor: Andreas ZumachUNO-Beobachter

Das Beispiel Jemen zeigt allerdings auch: Für die Ohren der Weltöffentlichkeit war das amerikanische Powerplay nicht immer gedacht. Dies hat sich unter der Administration Trump offenbar geändert: «Dass nun dermassen öffentlich Druck ausgeübt wird [wie bei der Jerusalem-Resolution], ist eine neue negative Qualität, die Schlimmes befürchten lässt: Für das Verhältnis der USA zur UNO und umgekehrt», sagt Zumach.

Dieses Verhältnis ist ohnehin angeschlagen. So machte der US-Präsident seinen Unmut über vermeintlich zu hohe US-Beiträge an die UNO schon im Wahlkampf mehr als deutlich – und handelte als gewählter Präsident: «Mittlerweile haben die USA ihre Beiträge teils gravierend gekürzt, darunter etwa an die UNO-Friedenstruppen – nötig wäre eine Erhöhung des Budgets».

Fredy Gsteiger, Diplomatie-Experte von SRF: «USA isolieren sich»

«Trump schwächt mit seiner Erpressung die internationale Rolle der USA weiter. Denn gerade grosse Länder zahlen Entwicklungshilfe selten aus reiner Barmherzigkeit. Es sind nicht Almosen, sondern Hilfsgelder, mit denen sich ein reicher Staat wirtschaftlich und politisch Einfluss in armen Staaten kauft. Der US-Präsident isoliert also die USA weiter. Ihr Gewicht auf der Weltbühne schwindet. Ihre Glaubwürdigkeit, im Nahen Osten überhaupt noch eine Rolle zu spielen, Friedensinitiativen zu lancieren, sinkt gegen null. So gesehen war das Votum in der UNO-Generalversammlung auch ein Votum über die Vormachtrolle der USA. Ein Votum, das die USA selber provoziert haben und nur verlieren können.»

Andreas Zumach

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Andreas Zumach

Der deutsche Journalist, Autor und Publizist arbeitet u.a. auf den Gebieten des Völkerrechts, der Menschenrechts- und Sicherheitspolitik und der internationalen Organisationen. Er wirkt am europäischen Hauptsitz der Vereinten Nationen in Genf als Korrespondent für diverse deutschsprachige Medien.

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