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US-Wahlen «Trump weiss instinktiv, wie er Gehirne manipulieren kann»

Der US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump ist ein Marketing-Meister. Was er sagt, wird von vielen Leuten geglaubt. Er spielt nach den Regeln der kognitiven Linguistik, erklärt der amerikanische Sprachforscher George Lakoff.

SRF News: Donald Trump setzt auf einfache Aussagen, die er stets wiederholt, auch wenn sie keinen Sinn machen. Weshalb funktioniert das?

George Lakoff: Sie ergeben für die richtigen Leute schon einen Sinn. Dieses Land ist stark gespalten zwischen Menschen, die konservativ denken, anderen die progressiv denken und jenen, die dazwischen sind. Diese politischen Sichtweisen stammen meines Erachtens aus einer familienbasierten Moralvorstellung. Progressive Wertvorstellung basiert auf der Idee einer fürsorglichen Familie. Konservative Wertvorstellungen hingegen haben die Familie mit dem strengen Vater als Vorbild.

George Lakoff

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Der US-Amerikaner George Lakoff ist Professor für kognitive Wissenschaft an der Universität Berkeley in Kalifornien.

Unser Gehirn begreift Dinge mit neurologischen Kreisläufen. Wir können nur das verstehen, was unser Gehirn uns erlaubt zu verstehen. Wenn Sie also sehr stark in einer bestimmten Weltsicht verankert sind und einen Fakt hören, der dem widerspricht, so werden Sie dies lächerlich finden, weghören oder angreifen, wenn sie die Aussage als bedrohend empfinden.

Aber wenn er sagt, er baue eine Mauer, wieso spielt da die Tatsache, dass die Einwanderung aus Mexiko derzeit gleich Null ist, keine Rolle?

Sie spielt keine Rolle weil sie nicht in die Weltsicht passt. Nicht nur das: Donald Trump manipuliert das Gehirn. Er nutzt die unbewussten Mechanismen des Denkens, um seine Ziele zu erreichen. Zum Beispiel: In der Weltsicht eines gestrengen Vaters ist der gestrenge Vater moralisch. Er weiss, was gut und böse ist, und muss versichern, dass seine Kinder das machen, was er sagt. Wenn sie das nicht tun, werden sie bestraft.

In dieser Weltsicht sind die moralischen Leute jene, die an der Macht sind. Gott über dem Mann, Mann über der Natur, Mann über Frau, Weiss über Schwarz, Reich über Arm – sie sind arm weil sie unmoralisch sind und es deshalb verdienen. Und zu dieser Weltsicht gehört auch, dass die westliche Kultur den restlichen Kulturen überlegen ist und die USA allen anderen Ländern überlegen sind. Trump teilt praktisch alle diese Ansichten und deckt sich somit mit vielen Republikanern, ganz sicher mit den Tea Party-Republikanern.

Verstärkt er also Vorstellungen, die bereits existieren?

Ja. Trump nutzt Ereignisse, über die breit berichtet wird, wie etwa den Mord einer jungen weissen Frau durch einen illegalen Immigranten aus Mexiko in San Francisco. Das stärkt die neurologischen Kreisläufe im Gehirn und vermittelt dem Publikum den Eindruck, dass das eine realistische Gefahr ist. Trump wiederholt diese Geschichte und andere Fälle von Muslimen, die Menschen umbringen. Er verstärkt den Eindruck, dass Latinos Vergewaltiger und Mörderer sind. Dann präsentiert er eine einfache, direkte Lösung: Eine Mauer bauen, sie ausschaffen. Er nutzt die Mechanismen des Gehirns, um die Leute glauben zu machen, dass das, was er sagt, wahr ist.

Wieso ist er so gut darin? Hat er Ihre Bücher gelesen?

Nein das musste er auch nicht. Jeder Mensch, der keine Skrupel hat, ein Betrüger ist oder ein guter Verkäufer, lernt dies alles instinktiv. Und solche Leute haben nicht viel Empathie für andere Leute. Trump ist so. Ein Superverkäufer ohne Mitgefühl, der alles tun wird, um das zu erreichen, was er will. Er ist siebzig Jahre alt, seit fünfzig Jahren hat er sein Können geübt.

Audio
«Trump benutzt unterbewusste Mechanismen des Gehirns»
aus Rendez-vous vom 16.08.2016. Bild: Reuters
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 23 Sekunden.

Wie wichtig sind die Schimpfwörter, die er seinen Gegnern stets anhängt? Aktuell spricht er immer von Crooked Hillary – korrupte Hillary.

Sehr wichtig. Was er macht, ist er qualifiziert andere Leute, bringt sie in Verbindung mit einer Vorstellung. Das ist sehr wirksam. Möglicherweise hat Hillary Clinton nichts Verbrecherisches gemacht. Aber wenn er sie so nennt und dies ständig wiederholt, so wird das Teil unseres Gehirns. Leute, die ihn hören, und politisch rechts stehen, werden sie als korrupt sehen.

Funktioniert das unbewusst auch bei Menschen, die mit ihm nicht einverstanden sind?

Ja, es kann. Es gibt politisch in der Mitte stehende Menschen, die teils progressiv, teils konservativ denken, je nach Thema. Sie haben zwei verschiedene Weltsichten in sich, die miteinander konkurrieren. Das geht nur, weil die eine ausgeschaltet wird, wenn die andere aktiviert ist. Aber je öfter eine dieser Weltsichten aktiviert ist, desto stärker wird sie. Deshalb ist es eine Taktik der Konservativen hier in den USA seit 40 Jahren, Ideen zu wiederholen und Wörter zu erfinden, die der rechten Sichtweise entsprechen und diese immer wieder zu sagen. Egal, ob Sie links oder rechts stehen: Sie werden das hören und beginnen, Dinge entsprechend zu verstehen.

Sie sagen, die Demokraten machten einen grossen Fehler, wenn sie die Aussagen Trumps wiederholen und wiederlegen.

Das ist richtig. Wenn Sie wiederholen, was jemand anders sagt, und dann Fakten dagegen darlegen, helfen sie dieser Person, indem sie seine Position wiederholen. Es ist, wie wenn Sie sagen: Denken Sie nicht an einen Elefanten – Sie denken aber an einen Elefanten.

Was wird diese Kampagne bewirken, selbst wenn Trump nicht siegt?

Sie wird schreckliche Spuren zurücklassen. Es gibt viele Leute dort draussen, die fast alles was er sagt, glauben. Und sie sind sehr motiviert.

Was hat das zur Folge?

Trump könnte wieder antreten, oder viele andere trumpartige Kandidaten. Die Tea Party könnte stärker werden. Die jetzige Präsidentschaftskampagne wird viele bleibende Auswirkungen haben. Es gibt Leute, die diese Aussagen ständig auf Talk Radio wiederholen. Und es gibt 160‘000 Konservative in diesem Land, die vom konservativen Leadership Institute in Virginia ausgebildet wurden, um konservative Thesen auf Radio und TV und Schulen zu wiederholen. Sie bilden ein gigantisches Megafon.

Das Gespräch führte Priscilla Imboden.

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