US-Präsident Donald Trump hasst viele Menschen. Am meisten wohl Hillary Clinton. Doch dann kommt schon bald Graydon Carter, Chefredaktor vom US-Magazin «Vanity Fair». Zwar schmeichelt es Trump, auf dem «Jahrmarkt der Eitelkeiten», also im «Vanity Fair», ständig Thema zu sein.
Doch umso mehr ärgert es ihn, dass das Hochglanzmagazin äusserst kritisch über ihn berichtet. Chefredaktor Carter, ein Mann mit spitzer, mitunter giftiger Feder, nannte Trump einmal einen «vulgären Menschen mit kurzen Fingern». Ein andermal wurde das Grillrestaurant im Trump Tower als «eine billige Variante von reich» abgekanzelt, mit stümperhaft gemixten Cocktails, verhunzten Pommes und ungeniessbaren Burgers. Amerikas «vermutlich schlechtestes Restaurant». Das sass.
«Die USA braucht einen grossen Präsidenten»
Seither schiesst Trump scharf gegen Carter. «Ich kann es nicht erwarten, dass Vanity Fair stirbt. Unter Graydon Carter wird das eher früher als später passieren», twitterte der US-Präsident einst. Oder: «Sorry, Graydon Carter ist ein totaler Versager. Fragt seine Frau.»
Der so abgewatschte «Vanity-Fair»-Chef reagierte in einem Fernsehinterview gelassen. Eigentlich wünsche er sich, Trump wäre ein grosser Präsident. Die USA bräuchten einen solchen. Bloss: Trump sei dazu ausserstande.
Carter ist Provinzler aus Kanada
Dem Magazin jedoch bescherte die Trump-Wahl einen Auflagenanstieg um über 100'000 Exemplare auf nun wieder gut eine Million. Chefredaktoren wie Graydon Carter gibt es heute kaum noch. 25 Jahre lang im Amt. Zwei Millionen Dollar Salär. Limousine, Privatflugzeug. Heute ist der Typus Redaktionsmanager gefragt, einer, der in erster Linie aufs Budget achtet.
Carter hingegen wurde selber fast ebenso berühmt wie die Stars, die er schuf, die die Titel seines Heftes zieren. Dabei gehörte er ursprünglich weder zum New Yorker- noch zum Hollywoodkuchen. Er ist Provinzler, aus Kanada. Für einen Chefredaktor sei es gar nicht schlecht, Aussenseiter zu sein. Man habe so einen frischeren Blick auf New York, auf die USA.
Das glamouröseste aller Magazine
Inzwischen kokettiert der 68-Jährige mit der kunstvoll drapierten Frisur, der Haartolle, die zum Markenzeichen wurde, über sein Star-tum. Bei der jährlichen Party nach der Oscar-Verleihung, der Party, auf der «tout Hollywood» sein will, amtiere er bloss als Chefkellner, der darauf achte, dass allen zügig nachgeschenkt werde, behauptet er.
Und wenn er an einem Hoteleingang stehe, drücke ihm jeweils bald einer die Autoschlüssel in die Hand, damit er den Wagen in die Garage bringe. Das über hundertjährige «Vanity Fair» ist das wohl glamouröseste aller Magazine – nicht zuletzt dank Cheffotografin Annie Leibovitz, die seit 35 Jahren hier wirkt und selber ebenfalls, wie ihr Chef, zum Star avancierte.
Exzellent geschriebene Recherchegeschichten
Schön, dass «Vanity Fair» über Jahrzehnte hinweg ihre Bilder publiziert habe, dafür danke sie Carter, sagt sie zu seinem Abschied. Hollywood, Mode, Prominenz, Glamour, Prestige sind aber nur eine Seite des Magazins. Die andere machen Literatur, Wirtschaft, Politik aus.
«Vanity Fair» bringt nicht nur ästhetisch inszenierte Bilder der schwangeren Tennis-Königin Serena Williams oder der halbnackten Melania Trump. «Vanity Fair» enthüllte auch, wer «Deep Throat» war, der Hauptinformant in der Watergate-Affäre, über die US-Präsident Richard Nixon stürzte. Man liest hier grossartige und exzellent geschriebene Recherchegeschichten über die Tabakindustrie, den US-Waffenwahn oder den Afghanistankrieg. Sie liegen Graydon Carter hauptsächlich am Herzen, betonte er in einer Talkshow.
Banaler Abgang
Es brauche die Promibilder. Dank ihnen bringe man tolle journalistische Inhalte zu viel mehr Leuten. Schöne Menschen verkauften sich nun mal besser Verkaufsargumente als weniger schöne. Und erst recht als Bilder von Elend und Tristesse, weiss Carter.
Die Zeiten von Chefredaktoren wie Graydon Carter gehen nun auch im Verlagshaus Conde Nast zu Ende, zu dem auch das Magazin «Vogue» oder der renommierte «New Yorker» gehören. Seine Nachfolgerin muss wohl dreissig Prozent des Redaktionsbudgets einsparen, Abteilungen werden zusammengelegt. Das Anzeigengeschäft lahmt.
So aussergewöhnlich Carter als Chefredaktor war, so banal ist jetzt sein Abgang. Es geht ums Geld. Um weniger Geld.