- Die iranische Wirtschaft wächst, allerdings wäre noch mehr Wirtschaftswachstum nötig.
- Die Haltung der jetzigen US-Regierung behindert die Integration des Irans in die Weltwirtschaft.
- Auch Schweizer Banken finanzieren aus Angst vor Reaktionen der USA keine Investionen in den Iran.
Um satte 3,5 Prozent ist letztes Jahr die iranische Wirtschaft gewachsen. Für jedes westeuropäische Land wäre das ein Spitzenwert. Iran aber müsse man mit China oder Indien vergleichen, sagt alt Botschafter Philippe Welti: «Iran braucht viel mehr, um wirklich vom Fleck zu kommen. Das Doppelte wäre nötig, 7 Prozent, und das ist noch lange nicht machbar.» Der 68-jährige Welti hat die Schweiz zwischen 2004 und 2009 in Teheran vertreten und ist heute Direktor der Iranisch-Schweizerischen Wirtschaftskammer.
Zwei Jahre nach Abschluss des mit grossen Hoffnungen verbundenen Nuklearabkommens sei deshalb die Enttäuschung im Iran gross, was auch die jüngsten Unruhen erkläre.
Schweizer Wirtschaft hat profitiert
Zwar seien nach dem Ende der Sanktionen manche Türen im Iran selber und für potentielle Handelspartner aus dem Ausland aufgegangen. Davon habe auch die Schweizer Wirtschaft, vor allem die High-Tech und die Maschinenindustrie, profitiert: «Das sind positive Aspekte, die der iranischen Führung helfen, die Industriebasis zu modernisieren und die Infrastruktur zu verbessern. Doch es ist bei weitem nicht genug, um dasjenige Wirtschaftswachstum zu generieren, das nötig wäre, damit es allen bessergeht.»
Schweizer Grossbanken refüsieren systematisch Geschäfte mit dem Iran.
Ein grosses Problem sei, dass die USA ihren Bürgern und Firmen nach wie vor verbieten, mit Iran Geschäfte zu machen. Das habe Auswirkungen auch auf alle anderen Länder. Schweizer Grossbanken etwa scheuten die Finanzierung von Investitionen im Iran aus Angst vor Konsequenzen für das US-Geschäft: «Der amerikanische Markt ist für Schweizer Banken tausendmal interessanter als der iranische Markt. Dafür refüsieren sie systematisch Geschäfte mit dem Iran. Das färbt auf das ganze Schweizerische Bankensystem ab.»
Keine guten Aussichten
Geschäfte bis zu einer Million Franken seien nun zwar wieder relativ einfach möglich, weiss der pensionierte Diplomat Welti, der heute Präsident der Wirtschaftskammer Schweiz-Iran ist. Grosse Infrastrukturprojekte aber für zwei-, drei stellige Millionenbeträge scheiterten an der fehlenden Finanzierung.
Und die kurzfristigen Aussichten stimmen Welti wenig optimistisch. US-Präsident Donald Trump droht das Nuklearabkommen mit Iran in drei Monaten aufzukünden. Das ist für Welti ein ganz schlechtes Signal, auch wenn die anderen Vertragspartner die Haltung der USA nicht teilten: «Der schwierigste Aspekt dieser neuen amerikanischen Politik oder sagen wir mal, zu der amerikanischen Rhetorik, ist dass sie die Unberechenbarkeit noch erhöht hat.»
Die USA haben sich isoliert
Unberechenbarkeit aber, Unsicherheit sei Gift für Wirtschaftsbeziehungen und für die Stabilität in der Region.
Saudi-arabische Positionen sind eine sehr einseitige Sache, auch in den Augen aller anderen arabischen Staaten.
Die Nahost-Politik der Regierung Trump ist Iran-Kenner Welti ohnehin ein Rätsel: «Es ist offensichtlich geworden, dass die USA heute für saudi-arabische Positionen steht. Und damit hat sich die USA in der Region isoliert. Saudi-arabische Positionen sind eine sehr einseitige Sache, auch in den Augen aller anderen arabischen Staaten.» Zwischen Washington und Teheran herrscht wieder Eiszeit.
Schweiz ist die Schutzmacht der USA im Iran
Seit 1980 schon ist die Schweiz Schutzmacht der USA im Iran, das heisst, sie übernimmt administrative und konsularische Dienste und stellt den beiden Ländern, die keine direkten diplomatischen Beziehungen unterhalten, einen Gesprächskanal zur Verfügung.
Die Schweiz hat ganz sicher keine Vermittlerrolle.
Das sei schon anspruchsvoll genug, warnt der ehemalige Schweizer Botschafter im Iran: «Die Schweiz hat ganz sicher keine Vermittlerrolle. Aber je besser sie die Schutzmachtfunktion wahrt, desto besser für die beiden involvierten Regierungen, in der Gestaltung ihrer bilateralen Beziehungen vorwärts zu kommen.» Kurzfristig deute allerdings nichts auf verbesserte Beziehungen hin.
Verhältnis wird frostig bleiben
Falls die USA den Iran isolieren wollten, um so den Sturz des islamistischen Regimes zu provozieren, würden sie enttäuscht, glaubt Welti. Iran sei ein starkes und stabiles Land und die Regierung sitze trotz der jüngsten Unruhen fest im Sattel.
Im Übrigen tue kein isoliertes Land der Welt gut, ist der ex-Diplomat und heutige Wirtschaftslobbist Welti überzeugt. Besser fände er die Strategie, die mit dem Nuklearabkommen versucht worden sei: «Iran in die globalisierte Weltwirtschaft zurückzuführen und wieder zu integrieren.»
Weil das die amerikanische Regierung ganz anders sieht, wird das Verhältnis zu Iran wohl noch länger ziemlich frostig bleiben.