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International «Verpiss dich in dein Land» provoziert Holland

Gewöhnliche Holländer schlüpfen in die Rolle von Flüchtlingen und reisen von den Niederlanden bis in ein Flüchtlingslager in Jordanien. Eine TV-Serie wollte den Niederländern die Augen öffnen. Ob ihr das gelungen ist, erklärt SRF-Korrespondentin Elsbeth Gugger.

Immer mehr Flüchtlinge kommen nach Europa. Immer mehr und immer heftiger wird darüber gestritten, wer wie viele Menschen in Not aufnehmen soll. Niederländische Fernsehmacher haben diese Woche versucht, das Dilemma mit der eigenwilligen Serie «Verpiss dich in dein Land» aufzuzeigen. Darin liessen sie sechs Holländerinnen und Holländer die umgekehrte Reise eines Flüchtlings machen. Sie sind von den Niederlanden bis in ein Flüchtlingslager in Jordanien gereist. SRF-Korrespondentin Elsbeth Gugger hat sich die Serie angeschaut.

SRF: Was waren das für Menschen, die in der Serie mitgemacht haben?

Elsbeth Gugger: Es handelt sich um eine bunte niederländische Gesellschaft: Eine Hausfrau, zwei Studierende, ein IT-Spezialist, ein arbeitsloser Gabelstapler-Fahrer und eine Spitex-Angestellte. Sie sind zwischen 24 und 50 Jahre alt. Die sechs haben alle eine explizite Meinung zur Flüchtlingsproblematik. Deshalb wurden sie für diese Serie ausgewählt. Die einen wollen die Grenzen für alle öffnen. Die anderen finden, dass die Flüchtlinge bleiben müssen, wo sie herkommen. Deshalb auch der heftige Titel der Serie: «Verpiss dich in dein eigenes Land».

Womit sind sie gereist?

Die Reise der Niederländerinnen und Niederländer begann – nachdem sie ihr Handy und ihr Portemonnaie hatten abgeben müssen - mit einer Nacht im Ausschaffungsgefängnis auf dem Amsterdamer Flughafen Schiphol. Dann reisten sie weiter auf einem Lastwagen, eingepfercht zwischen einer Ladung Kisten. Danach bestiegen sie ein Boot und zwischendurch machten sie Autostopp. Sie benutzten also die gleichen Transportmittel wie die Flüchtlinge.

Und wo haben sie übernachtet?

Genau dort, wo Flüchtlinge auch übernachten, nämlich im Freien auf einer griechischen Insel zum Beispiel oder in einem Asylzentrum in Serbien. Zwei Nächte verbrachten sie mit syrischen Flüchtlingen in Athen, die dort unter wirklich erbärmlichsten Umständen leben. Diese beiden Nächte waren für Willeke, die 48-jährige Hausfrau, eine so heftige Erfahrung, dass sie die Reise frühzeitig abgebrochen hat.

Audio
NL: Grosserfolg von provokante Flüchtlingsserie
aus HeuteMorgen vom 24.01.2015.
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 1 Sekunde.

Willeke ist eine grosse Anhängerin des Rechtspopulisten Geert Wilders. Sie trägt seine Unterschrift als Tätowierung auf dem Arm. Sie hatte immer wieder lautstark ihre Meinung verkündet, nämlich dass all die Flüchtlinge nichts in den Niederlanden zu suchen hätten und die Grenzen geschlossen werden müssten.

Hat diese Wilders-Anhängerin ihre Meinung über Flüchtlinge geändert?

Das wird nicht klar. Aber ich kann es mir nicht wirklich vorstellen. Es gab eine sehr eindrückliche Szene: Da begleiten Willeke und zwei andere Holländerinnen eine syrische Mutter und ihren kleinen Buben auf der Nahrungsmittelsuche. Willeke dachte, sie wären zu einem Supermarkt unterwegs. Stattdessen durchwühlte die Syrierin Abfallkübel auf der Suche nach etwas Essbarem. Die anderen zwei Holländerinnen halfen der Frau, aber Willeke stand bloss angewidert daneben und wiederholte immer wieder: ‹Das geht doch nicht, das ist Menschen unwürdig.› Als sie später darauf angesprochen wurde, sagte sie bloss, sie habe kein Herz aus Stein. Trotzdem könnten die Niederlande das Flüchtlingsproblem nicht lösen.

Die Serie war also überaus realitätsnah angelegt?

So gut es eben ging, waren die Aufnahmen nahe an der Realität. Aber das Ganze wurde mit einer «Reality-Programm-Sauce» überzogen, obschon die Serie auf einem öffentlich-rechtlichen Kanal gezeigt wurde. Immer wieder erklang drohende Musik, immer wieder zoomte die Kamera auf ein einzelnes Gesicht, vor allem wenn es Tränen gab. Und die umstrittensten Aussagen wurden ständig wiederholt.

Wie hat das niederländische Fernsehpublikum darauf reagiert?

Pro Folge sahen sich fast eine Million Menschen die vier Teile an, und das ist für ein solches Programm ziemlich viel. Darauf gab es die unterschiedlichsten Reaktionen. Auf Twitter war die Serie ein Riesenhit. Die einen fanden Willeke herzlos. Andere fanden die 22-jährige Studentin, die alle Flüchtlinge in den Niederlanden aufnehmen will, zu extrem, zu naiv. Aber die Serie hat vielen Menschen die Augen darüber geöffnet, wie komplex die ganze Flüchtlingsproblematik ist. Das war auch die erklärte Absicht der Produzenten. Sie haben ihr Ziel so gesehen erreicht. Und zweifellos hat es nicht geschadet, dass da etwas Gegensteuer gegeben wurde auf die zunehmende Xenophobie in den Niederlanden.

Das Gespräch führte Barbara Büttner.

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