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International «Viele Milizen in Libyen haben eine doppelte Loyalität»

Die Bürger der libyschen Hauptstadt Tripolis gehen gegen bewaffnete Milizen in der Stadt vor. Genau jene Milizen, die vor gut zwei Jahren gegen den damaligen Diktator Ghadhafi gekämpft hatten. Journalist Beat Stauffer über blutige Auseinandersetzungen und die Arroganz der Milizen.

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aus SRF 4 News aktuell vom 13.12.2013.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 40 Sekunden.

SRF: Die Bürger der libyschen Hauptstadt Tripolis wehren sich gegen bewaffnete Milizen in der Stadt. Bis heute Freitag sollen sie abziehen, ansonsten würden sie «ausgeräuchert», sagen die Bürgeraktivisten. Droht eine blutige Auseinandersetzung?

Beat Stauffer: Das ist leider nicht ganz ausgeschlossen. Die meisten libyschen Männer haben eine Waffe bei sich zu Hause. Wenn es wirklich zu einem Zusammenstoss zwischen Milizen und Bürgergruppen kommt, ist es denkbar, dass die Bürgergruppen zurück schiessen. Allerdings hat das Blutbad, das sich vor drei Wochen in Tripolis ereignet hat, doch eine Art Schock ausgelöst. Ich halte es für denkbar und möglich, dass es an diesem Wochenende friedlicher und ruhiger zugeht.

Bei dem Blutbad vor drei Wochen waren ja bereits Milizen und Bürgergruppen aneinander geraten.

Beat Stauffer

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Legende: Friedel Ammann

Beat Stauffer berichtet als freischaffender Journalist für verschiedene Medien aus Nordafrika. Er ist auch als Buchautor, Kursleiter und Referent tätig.

Das ist richtig. Bürgergruppen wollten den Sitz einer Miliz räumen. Dabei ist es zu einer mehrstündigen Schiesserei gekommen, bei der am Ende ein Dutzend Menschen getötet worden ist.

Woher kommt die Wut der Bürger auf die Milizen in Tripolis?

Die Milizen verhalten sich häufig arrogant. Ein Teil der Milizen geht auch krummen Geschäften nach. Das regt den Zorn der breiten Bevölkerung – vor allem weil die meisten Milizen noch sehr jung sind.

Diese Milizen bestehen aus vielen verschiedenen Gruppierungen, die am Sturz des ehemaligen Machthabers Ghadhafi beteiligt waren. Ziehen sie überhaupt am selben Strick?

Nein. Es gibt junge Milizen, die sich als Revolutionäre fühlen und um ihre Macht wissen. Diese Gruppe ist lernfähig und bereit für eine Demokratisierung und den Aufbau eines libyschen Staates zu kämpfen. Dann gibt es falsche Milizen, die gar nie wirklich gegen Ghadhafi gekämpft haben. Und es gibt kriminelle Milizen. Diese entführen Leute, unterstützen Schlepperdienste und machen Überfälle. Das sind die falschen Revolutionäre. Schliesslich gibt es auch islamistische Dschihadistische Milizen, die mit allen Mitteln gegen die Regierung kämpfen. Sie wünschen sich den Zerfall des libyschen Staates.

Libyen hat ja auch eine Armee und eine Polizei. Warum bieten diese den Milizen nicht die Stirn?

Der Aufbau der Polizei und der Armee kommt nur sehr schleppend voran. Warum, ist nicht ganz klar. Es spielt aber Korruption mit. Mittel, die für den Wiederaufbau gedacht waren, sind zweckentfremdet worden. Dazu kommt: Viele Milizen haben eine doppelte Loyalität – trotzdem ist die Regierung auf sie angewiesen.

So schnell dürften die Milizen also nicht von der Bildfläche verschwinden?

Das wird ein langer, schwieriger Prozess werden, bis diese Milizen sich entweder zivilen Tätigkeiten zuwenden oder in die neuen Sicherheitskräfte integriert werden. Ein Teil der Milizen will aber auch gar nicht integriert werden und machen weiter auf Opposition. Dies sind vor allem diese dschihadistischen Milizen, welche im Osten des Landes sehr stark sind. Sie kontrollieren ganze Quartiere der Stadt Benghasi.

Das Gespräch führte Urs Gilgen.

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