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Italiens neue Regierung Italien hofft abermals auf seinen Präsidenten

Auch eine Woche nach den Wahlen in Italien steht in den Sternen, wie die künftige Regierung aussehen könnte. Denn nach wie vor will der siegreiche Beppe Grillo keine Verhandlungen mit den alten Parteien. Der Kommentator von «La Stampa» analysiert die verworrene Lage.

Paradoxerweise bringt die Pattsituation den halbwegs siegreichen, linken Partito Democratico (PD) von Pier Luigi Bersani am meisten in Schwierigkeiten. Dies sagt Federico Geremicca, politischer Kommentator der Turiner «La Stampa».

Partito Democratico kämpft mit sich selber

Bersanis Partei werde erschüttert von einer internen Abrechnung zwischen der jungen und der alten Generation: Als der PD im Oktober bei Primärwahlen den 61jährigen Pier Luigi Bersani zum Spitzenkandidaten kürte, erzielte der praktisch unbekannte, 38jährige Florentiner Bürgermeister Matteo Renzi beachtliche 40 Prozent der Stimmen.

Audio
Analyse von Federico Geremicca, Kommentator von «La Stampa». (Massimo Agostinis)
aus Echo der Zeit vom 05.03.2013.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 1 Sekunde.

Die Fraktion um Renzi sage nun, wären wir mit ihm angetreten, hätte Beppe Grillo nicht grosse Teile unserer jungen Wähler anziehen können. Der PD hätte in der Mitte des Spektrums Stimmen geholt. Diese interne Abrechnung sei nun im Gang, so Geremicca weiter. Er gehe davon aus, dass bei den baldigen Neuwahlen Pier Luigi Bersani nicht mehr Kandidat sein werde.

Ausserdem werde die Partei von ihrer Vergangenheit eingeholt. In ihr seien seit jeher Linkskatholiken und solche vereint, die mit Religion nichts am Hut hätten. Auch diese Auseinandersetzung breche nun wieder auf. Bersani könne diese divergierenden Kräfte nicht zusammenhalten, da er geschwächt aus den Wahlen hervorgegangen ist.

Berlusconi fürchtet die Justiz

Silvio Berlusconi seinerseits bereite der Wahlsieg der Grillini grosses Kopfzerbrechen. Zwar habe Berlusconi abermals gezeigt, dass er einer der besten Wahlkämpfer sei, so der politisch eher links stehende Geremicca. Seine totgesagte Partei kam auf über 20 Prozent der Stimmen, dies dank seines Einsatzes in letzter Minute. Berlusconi sei intern unumstritten, die Jungen in seiner Partei feindeten ihn nicht an.

In den kommenden Wochen gehen mehrere Prozesse gegen Berlusconi zu Ende. Darunter das Verfahren Ruby, in dem er vermutlich wegen Sex mit einer Minderjährigen und anderem verurteilt wird. Damit hat für Berlusconi ein Wettlauf gegen die Zeit begonnen. Er möchte in irgendeiner Weise an einer Regierung beteiligt sein, um sich vor den Richtern in Sicherheit zu bringen. Doch weder Grillo noch der PD wollen etwas mit ihm zu tun haben.

Auch Beppe Grillo dürfte schlecht schlafen

Selbst Beppe Grillo, der mit seinem Movimento Cinque Stelle auf einen Schlag 25 Prozent der Wählerstimmen holte und als der Sieger gilt, dürfte schlecht schlafen. Der als eigentlicher Wahlsieger geltende Grillo handle derzeit sehr kurzfristig, sagt der Chef-Kommentator von «La Stampa».

Seine Politik mache Grillo von Tag zu Tag. Sie erschöpfe sich darin, dass er sagt, er wolle mit keiner der traditionellen Parteien eine Regierung bilden, sondern nur Einzelvorlagen annehmen oder ablehnen. Doch bevor es Einzelvorlagen gibt, muss eine Regierung eingesetzt werden. Dazu will Grillo aber nicht Hand bieten. Also gibt es keine Regierung, die irgendetwas beschliessen kann.

Grillos Verhalten ist diktiert von zu grossem Erfolg in zu kurzer Zeit. Seine Bewegung hat keine Strukturen. Niemand kann etwas entscheiden, ausser ihm. Zudem gibt es unter seinen über 150 Neuparlamentariern etliche, die mit Bersani zusammengehen möchten, um Reformen durchzusetzen.

Und wieder ist Staatspräsident Napolitano gefordert

In Rom kursieren unzählige Szenarien, wie Staatspräsident Giorgio Napolitano die Regierungskrise meistern könnte. Geremicca bleibt vorsichtig: Die einzige, halbwegs realistische Lösung sei für ihn eine Übergangsregierung.

Diese würde vermutlich von einer politisch neutralen Person geleitet. Sie würde das ungeliebte Wahlgesetz ändern, die Gelder für die Parteien beschneiden, so dass  Beppe Grillo vorderhand zufrieden ist. Eine solche Regierung dürfte von Bersani, Berlusconi und Grillo für kurze Zeit gestützt werden.

Doch wie soll das gehen? Grillo will ja mit den traditionellen Parteien nichts zu tun haben. Federico Geremicca zeigt aus dem Fenster, in Richtung Quirinal, des Amtssitzes von Staatspräsident Giorgio Napolitano. An ihm hängt es nun, einen Weg aus der Sackgasse zu finden.

So warten denn auch alle auf das erste Gespräch zwischen Napolitano und Beppe Grillo. Man hofft, dass Napolitano, der trotz seines hohen Alters ein hartnäckiger Mann ist, Grillo zur Räson bringt. Damit dieser Hand bietet für eine politische Lösung.

Es wäre das zweite Mal innert kürzester Zeit, dass der bald 88-jährige Staatspräsident das Land abermals vor dem Abgrund rettet, weil die politischen Parteien unfähig dazu sind: Auf dem Höhepunkt der Eurokrise zwang er Premier Berlusconi indirekt zum Rücktritt und scharte Links und Rechts hinter die Regierung Monti. Nun hofft Italien abermals auf seinen Präsidenten.

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