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Wahlen in Katalonien «Rajoy muss sich bewegen und das Gespräch suchen»

In Katalonien haben die Separatisten ihre Position bei den Wahlen verteidigt. Wie es aber politisch weitergehen soll, ist noch unklar, sagt Julia Macher, freie Journalistin in Barcelona.

SRF News: Sie waren in Barcelona unterwegs. Wie war die Stimmung?

Julia Macher

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Julia Macher

Die Journalistin lebt in Barcelona und berichtet von dort für verschiedene Radio- und TV-Sender, hauptsächlich über Gesellschaft und Kultur.

Julia Macher: Es gab keine Jubelfeiern. Diese gabs ja durchaus bei anderen Wahlen, die auch emotional aufgeladen waren. Aber auch bei den grossen Parteien war die Stimmung eher zurückhaltend. Gejubelt wurde natürlich bei Ciudadanos und im Lokal von Carles Puigdemonts Junts per Catalunya. Freude war etwas, was eher bei den Parteien zu sehen war als auf der Strasse. Das lag auch daran, dass die Wahlen von Madrid angesetzt worden waren, sie quasi verordnet wurden, um ein politisches Problem zu lösen. Die Unabhängigkeitsbewegung sah das als Zwang.

Hat sich dieses Resultat – der Sieg der Separatisten – im Vorfeld abgezeichnet?

Nein. Das hat viele überrascht. Es war viel spekuliert worden, wonach weder die Separatisten noch die Verfassungstreuen eine absolute Mehrheit erzielen würden, und dann Dritte das Zünglein an der Waage spielen würden. Das hat sich nicht erfüllt. Stattdessen gibt es wieder eine Mehrheit der drei separatistischen Parteien. Und die grosse Neuigkeit ist die klare Stimme der Gegner der Unabhängigkeit von der anti-separatistischen liberalen Bürgerpartei Ciudadanos.

Die Unabhängigkeitsparteien müssen jetzt das tun, was sie im Wahlkampf versäumt haben, nämlich Selbstkritik üben.

Wie sind die Kommentare heute Morgen in den Zeitungen?

Man weiss noch nicht richtig, was man zu dem Ergebnis sagen soll. Auch weil man ein anderes Resultat erwartet hat. Die katalanische Zeitung «El Periódico» , die allerdings eher pro-spanisch ist, spricht von einem bipolaren Ergebnis, einem Zeichen der Spaltung der Gesellschaft. Sie verbindet diese Feststellung mit der Forderung, jetzt darüber nachzudenken, wie es eigentlich konkret weitergehen soll. Und die pro-separatistischen Parteien in Katalonien betonen zwar, dass weiterhin eine Hegemonie eines Unabhängigkeitsblocks bestehe. Wie es aber politisch konkret weitergehen soll, darüber herrscht noch Unklarheit.

Wie geht die Diskussion um die Unabhängigkeit jetzt weiter?

Die Unabhängigkeitsparteien müssen jetzt das tun, was sie im Wahlkampf versäumt haben, nämlich Selbstkritik üben. Ihr Plan, einfach einseitig die Republik auszurufen, ist gescheitert. Das zeigt die Reaktion der Wirtschaft, das zeigt auch der in Katalonien vorher kaum sichtbare spanische Nationalismus: Vor vielen Balkonen wurde als Antwort auf die Katalanen die spanische Flagge gehisst.

Was erwarten die Bürger Kataloniens von Carles Puigdemont?

Nicht viel mehr als seine Rückkehr. Dass er, wie er im Wahlkampf versprochen hat, die legitime Regierung Kataloniens wieder einsetzt. Das ist als Programm natürlich sehr dünn. Er erwartet nun, dass Madrid einen Schritt auf ihn zugeht, um doch noch einen Dialog zu schaffen. Tatsächlich wird Mariano Rajoy nichts anderes übrigbleiben, als sich in irgendeiner Weise mit der katalanischen Regionalregierung an einen Tisch zu setzen. Er kann nicht, nur weil diese ihm nicht passt, Artikel 155 bemühen und die Regionalregierung nochmals absetzen.

Rajoys Partei war in Katalonien nie sehr stark, aber dass sie jetzt so abgestraft wurde, ist schon eine derbe Klatsche.

Rajoy hat sich offenbar gründlich verrechnet. Was bedeutet das?

Rajoy ist der eigentliche grosse Verlierer der Wahlen. Seine konservative Volkspartei stellt in Spanien die Regierung. Im katalanischen Parlament hat sie nun gerade mal drei Sitze errungen. Damit kann sie nicht einmal mehr eine eigene Fraktion bilden. Sie war in Katalonien nie sehr stark, aber dass sie jetzt so abgestraft wurde, ist schon eine derbe Klatsche. Die Situation ist jetzt, nach den Wahlen, so, dass sich Rajoy bewegen und das Gespräch suchen muss.

Das Gespräch führte Claudia Weber.

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