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Wahlen in Malaysia Der Premier, der 92-Jährige, die Jungpolitikerin und der Zeichner

Najib Razak – der geschwächte Premierminister

Premierminister Najib Razak ein Gewehr in der Hand haltend
Legende: Premierminister Najib Razak: Jedes Mittel ist ihm Recht, um an der Macht zu bleiben. SRF/Karin Wenger

Premierminister Najib Razak ist ein politischer Überlebenskünstler. 64 Jahre alt, grauhaarig, Sohn eines früheren Premierministers und seit 2009 mit der United Malays National Organisation (Umno) an der Macht. Interviews gibt er kaum, lässt aber ausländische Journalisten, die kritische Fragen stellen, gerne aus dem Land werfen. Die lokalen Journalisten getrauen sich längst nicht mehr, unbequem zu sein. Denn Najib geht unzimperlich mit Kritikern um. Vor allem, seit er selbst im Zentrum eines Korruptions-Skandals steht.

1MDB ist der Name eines Staatsfonds, der Malaysia Entwicklung und Fortschritt hätte bringen sollen. Heute steht 1MDB für den grössten Korruptionsskandal, den Malaysia je gekannt hat.

Laut dem US-Justizdepartement, das die geheimen Machenschaft untersucht, wurden 4,5 Milliarden Dollar aus dem Fonds gestohlen; 681 Millionen Dollar tauchten später auf dem privaten Bankkonto von Premierminister Najib Razak wieder auf.

Mit weiteren knapp 30 Millionen Dollar kaufte Najibs Frau Rosmah rare, pinke Diamanten. 250 Millionen Dollar flossen in den Kauf einer Luxusjacht, 50 Millionen Dollar in die Produktion des Hollywood Films «The Wolf of Wallstreet». Zudem wechselten Monet- und Picasso-Gemälde ihre Besitzer.

Das Geld wurde zum Teil auch über Schweizer Banken wie die Falcon Private Bank und die Tessiner Bank BSI, die inzwischen von der Zürcher Privatbank EFG übernommen wurde, geschleust. Die Schweizer Finanzmarkaufsicht stellte 95 Millionen Franken im Zusammenhang mit 1MDB sicher – Geld, das Malaysia nun zurückfordert. Doch statt abzutreten, zeigt Najib Sitzleder. Die Millionen auf seinem Konto seien ein Geschenk des saudischen Königshauses, erklärte er.

Mehrfach demonstrierten Zehntausende in Kuala Lumpur gegen Premierminister Najib und seine kleptomanischen Verbündeten – vergeblich. Um sich zu schützen, feuerte der Premierminister den ermittelnden Staatsanwalt. Der einzige, der bislang im Fall angeklagt wurde, ist der Whistleblower, der die Affäre ans Licht gebracht hat.

Auch für die Wahlen am 9. Mai hat Premierminister Najib vorgesorgt: Er liess Wahlkreise neu zeichnen, kontrolliert die Medien und behindert die Opposition. Nachdem er seinem eigenen Volk Millionen Dollar gestohlen hat, scheint er nun auch noch die Wahlen stehlen zu wollen.

Mahathir Mohamad – der 92-jährige Herausforderer

Mahathir Mohamad
Legende: Mahathir Mohamad: «Ich bin kein Diktator! Ich war strikt.» SRF/Karin Wenger

Stur sei er, Mahathir Mohamad. Wolle nicht hören, wenn sie ihn ins Bett schicke oder ihn daran erinnere, seine Reden kurz zu halten. Ihr Mann habe eben eine Mission, sagt Mahathir Mohamads Frau.

Diese Mission formuliert Mahathir, der auch mit 92 Jahren noch geistig wach wirkt, so: «Premierminister Najib zerstört das Land, deshalb müssen wir ihn stoppen. Unser einziges Ziel ist, ihn zu stürzen.»

Der heutige Premierminister Najib Razak war einst Mahathirs Ziehsohn. Der Bruch kam wegen des gigantischen Korruptionsskandals um den Staatsfonds 1MDB. Aus diesem Fond sollen Premierminister Najib und seine Verbündeten laut Untersuchungen der US-Justiz 4,5 Milliarden Dollar gestohlen haben. Das verärgerte Mahathir. Er verabschiedete sich aus dem Ruhestand und verliess die Regierungspartei, um mit der Opposition eine Koalition einzugehen. Die Opposition hat Mahathir als Kandidaten für das Amt des Premierministers aufgestellt. Denn an Erfahrung und einer soliden Wählerbasis in der malaysischen Bevölkerungsmehrheit fehlt es ihm nicht: Mahathir war über 20 Jahre lang selbst Premierminister.

Um die Wahlen zu gewinnen, legt sich Mahathir nun aber just mit dem Mann ins Bett, den er vor fast zwanzig Jahren wegen angeblich homosexueller Aktivitäten ins Gefängnis werfen liess: seinem einstigen Rivalen Anwar Ibrahim.

Dieser sitzt nun schon wieder im Gefängnis – diesmal liess ihn Premierminister Najib kaltstellten. Nun führt Anwars 37-jährige Tochter Nurul Izzah Anwar die feurigen Reden der Opposition. Für sie war es nicht einfach, Mahathir als Verbündeten zu akzeptieren: «Mahathir war der Architekt der Diktatur, unter der wir heute leben. In seinen 22 Jahren als Premierminister begann er die Justiz zu kontrollieren und brachte Kritiker zum Schweigen.»

Video
Mahathir Mohamad: «Najib ist ein Monster»
Aus News-Clip vom 07.05.2018.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 24 Sekunden.

Als Architekt der Diktatur oder gar Diktator bezeichnet zu werden, ärgert den scharfzüngigen, schnell denkenden Mahathir auch noch mit 92 Jahren: «Ich bin kein Diktator! Ja, ich war strikt. So habe ich Malaysia industrialisiert. Aber heute gibt es keine Gewaltenteilung mehr, Najib kontrolliert alles. Malaysia ist keine Demokratie mehr. Falls ich gewinne, werde ich unserem Land die Demokratie zurückgeben und die Macht des Premierministers beschränken.»

Zudem werde er das Amt des Premiers Anwar Ibrahim, den er einst selbst hatte einsperren lassen, übertragen – sobald dieser aus dem Gefängnis entlassen werde.

Nurul Izzah Anwar – die Jungpolitikerin

Nurul Izzah Anwar hält lächelnd ihr Smartphone in die Kamera
Legende: Nurul Izzah Anwar: Die Gefängnisbesuche lehrte sie, dass das Leben kein Zuckerschlecken ist. SRF/Karin Wenger

Nurul Izzah Anwar weiss aus eigener Erfahrung, dass Politik in Malaysia ein schmutziges Geschäft ist. «Als Teenager besuchte ich meinen Vater während Jahren regelmässig im Gefängnis. Das hat mich geprägt. Ich lernte schnell, dass das Leben kein Zuckerschlecken und Ehrlichkeit in der Politik ein rares Gut ist», sagt die 37-jährige, zweifache Mutter. 1999 hatte der damalige Premierminister Mahathir Mohamad ihren Vater wegen angeblicher Homosexualität einsperren lassen. Anwar, der Finanzminister war, war Mahathir politisch gefährlich geworden.

Nun sitzt ihr inzwischen 70-jähriger Vater – inzwischen Anführer der Opposition – schon wieder im Gefängnis. Diesmal liess ihn Premierminister Najib einsperren, wieder wegen angeblicher Homosexualität. Und weil auch er keine Konkurrenten duldet. «Das ist jetzt also die nächste Episode in diesem politischen Theater. Jetzt muss ich meinen Kindern erklären, wieso sie ihren Grossvater im Gefängnis besuchen müssen. Das ist nicht einfach», sagt Nurul – und lacht. Ihre Familie habe längst gelernt, dass solche Situationen nur mit Humor zu meistern seien.

Video
Izzah erklärt, warum es Zeit für eine Veränderung ist
Aus News-Clip vom 07.05.2018.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 28 Sekunden.

Nurul Izzah trat als einzige von sechs Geschwistern in die Politik ein – als Vertreterin des Volkes, betont sie, und nicht, um das Volk zu bestehlen, wie das Premierminister Najib tue. Die letzten zehn Jahre sass sie als Oppositionspolitikerin im Parlament. Früher hatte sie an der Johns Hopkins Universität Internationale Beziehungen und Südostasien Studien studiert.

Bei diesen Wahlen hat sie ein Ziel: «Najib zu stürzen und dem Land die Demokratie und die Unabhängigkeit der Institutionen zurückzugeben.» Dafür waren sie und ihre Familie sogar bereit, Mahathir Mohamad zu vergeben und mit ihm eine Koalition einzugehen.

«Ich bin nicht nur Tochter vom Oppositionsführer Anwar Ibrahim, sondern auch Politikerin. Als solche muss das Wohl der Wählerinnen und Wähler an oberster Stelle stehen. Deshalb habe ich Mahathir akzeptiert. Auch, weil er seine Partei verlassen und seine Fehler eingesehen hat. Als ehemaliger Premierminister hat er die Macht, dieses Spiel zu gewinnen», sagt Izzah.

Auch Nurul Izzah, die mit viel Charme und grosser Überzeugungskraft politisiert, hat eine grosse Anhängerschaft – vor allem unter Frauen und der vorwiegend jungen Bevölkerung des Landes. Einer ihrer Kurzvideos auf Instagram erhielt über 80‘000 Likes.

Im Video zeigte die gläubige Muslimin, wie sie ihr Kopftuch bindet. «Die vielen Likes haben mich überrascht. Aber am Ende geht es wohl darum, dass die Leute in ihren Alltagsbelangen verstanden werden wollen – etwas, das viele Politiker längst vergessen haben.»

Karikaturist Zunar – der Rebell

Karikaturist Zunar, vor einer Zeichnung sitzend
Legende: Karikaturist Zunar: «Lachen ist der beste Protest. Keine Regierung mag es, wenn sie ausgelacht wird.» SRF/Karin Wenger

«Ich bin ein Querulant. Viele Leute sagen, ich würde Premierminister Najib Razak und seiner Frau Rosmah so viele Probleme machen. Aber ich sage: Stimmt nicht. Wenn ich Korruption zeichne, dann, weil es sie gibt. Nicht ich bin also der Querulant, sondern die Politiker sind die Unruhestifter unseres Land», sagt der politische Karikaturist Zunar.

Ein Querulant, ein Rebell, so sei er schon immer gewesen. Bereits mit 17 karikierte er seine Lehrer und wurde dafür bestraft. Jetzt ist er 55. Ein Bär von einem Mann, Hände wie Schaufeln, eckige Wagenknochen und ein Schalk in den Augen, der auch dann aufblitzt, wenn er über Dinge spricht, die andere längst zur Verzweiflung gebracht hätten: «Fünf Mal liess mich die Regierung bereits verhaften. Sie hat Tausende meiner Bücher konfisziert. Mein Büro wurde mehrfach gestürmt.»

Seit 2016 darf Zunar das Land nicht mehr verlassen. Zudem hat er neun Anklagen am Hals – wegen Volksverhetzung. Wird er verurteilt, muss er 42 Jahre ins Gefängnis. Denn Zunar ist nicht nur der bekannteste politische Karikaturist von Malaysia; bei der politischen Elite des Landes ist er auch am verhasstesten.

Video
Karikaturist Zunar: «Lachen ist der beste Protest»
Aus News-Clip vom 07.05.2018.
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 47 Sekunden.

Sein Lieblingsthema: Die Korruption der Mächtigen. Vor allem, seit bekannt wurde, dass Premierminister Najib Razak 700 Million Dollar aus einem Staatsfonds auf sein eigenes Privatkonto abgezweigt hat und sich dessen Frau Rosmah, ebenfalls mit Geld aus dem Staatsfonds, ihre luxuriösen Wünsche nach pinken Diamanten und teuren Handtaschen erfüllt, gehören die beiden zu Zunars Lieblingsfiguren.

Zunars Bücher stehen jedoch in keiner Buchhandlung, weil kein Buchhändler mehr wagt, seine Werke zu verkaufen. Deshalb verkauft er sie nun übers Internet und lebt von Spenden. Ans Aufhören denkt er nie. «In einer Situation wie der unseren darf man nicht neutral sein. Neutral zu sein, zu schweigen, bedeutet, sich auf die Seite der Korrupten zu stellen.»

Natürlich wissen auch viele andere in Malaysia, wie korrupt ihre Regierung ist. Immer wieder kam es zu Grossdemonstrationen im Land. Jede Regierung dieser Welt wisse, wie man Strassenproteste und Demonstrationen niederschlage, sagt Zunar: «Aber sie wissen nicht, wie man mit Karikaturen umgeht. Sie können mich verhaften, dann werden die Leute lachen. Ich sage: Lachen ist der beste Protest. Keine Regierung mag es, wenn sie ausgelacht wird», sagt Zunar.

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Malaysia: Die Mission eines alten Mannes
aus Echo der Zeit vom 01.05.2018. Bild: Reuters
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 20 Sekunden.
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