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Wahlkampf in Italien «Ihr Schweizer seid unglaublich streng»

Mit seiner 5-Sterne-Bewegung könnte Beppo Grillo die Wahlen im März gewinnen. Allerdings: Wo die «Grillini» bereits regieren wie in Rom, herrscht mittleres Chaos. Die «Rundschau» hat Grillo zum Interview getroffen.

SRF: Silvio Berlusconi sagt, die 5-Stern-Bewegung ist eine Sekte, die – einmal an der Macht – Italien zerstören werde. Sind Sie ein bösartiger Guru?

Beppe Grillo: Sie sind extrem wütend, dass ein Komiker die stärkste politische Bewegung in Italien geschaffen hat. Ein Komiker, verstehen Sie. Diese Angriffe amüsieren mich, auch wenn sie manchmal schon etwas rüde sind, das bin ich ab und zu wohl auch. Aber, ich verstehe ihre Gründe: hinter den Attacken gegen die 5-Sterne-Bewegung steckt purer Überlebensinstinkt. Sie gehören zu einer Welt, die am Verschwinden ist und krallen sich verzweifelt daran fest.

Die 5-Sterne-Bewegung prophezeit die «Internetdemokratie». Ihr habt zu diesem Zweck die digitale Plattform «Rousseau» geschaffen. Genügt das?

Die Plattform Rousseau ist für die Bürger ein Instrument um online abzustimmen. Um Referenden abzuhalten, wie ihr es in der Schweiz macht. Wir haben dieses operative System geschaffen, damit man abstimmen kann, damit man Gesetze vorschlagen und sich einbringen kann. Normale Personen nehmen an der Politik teil. Wir müssen nicht mehr alles an diese «Geister» delegieren.

Wir wollen, dass die Bürger sich beteiligen, neugierig sind.

Die Plattform Rousseau weist laut unabhängigen Experten aber auch grosse Mängel auf. Und auch allgemein wird euch Dilettantismus vorgeworfen. Wie zum Beispiel in Rom, wo die 5-Sterne-Bürgermeisterin stark überfordert wirkt.

Wenn unsere Gegner uns vorwerfen, wir seien Dilettanten, machen sie uns ein kleines Kompliment. In ihrer Welt sind wir tatsächlich Dilettanten. Zur Plattform Rousseau: Wir sind digitale Rutengänger. Wir machen auch Fehler und sind keine Experten in diesem Bereich. Wir versuchen es aber. Wie Rutengänger suchen wir nach Quellen. Manchmal finden wir klares Wasser, manchmal Kloaken.

Seltenes Interview

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Obwohl heimlicher Oppositionsführer, gibt Beppe Grillo kaum Interviews. Auch die «Rundschau» musste klare Restriktionen einhalten: keine Fragen zum aktuellen Wahlkampf, keine Fragen zu seiner Politik. Fragen dazu sind erst nach den Wahlen erlaubt. Grillo, jahrelang und auch heute noch als Komiker unterwegs, etablierte sich als Blogger in den 2000er-Jahren als politische Stimme. Seine 5-Sterne-Bewegung ist im nationalen italienischen Parlament seit den Wahlen 2013 drittstärkste Fraktion.

Mit der Konzentration auf digitale Demokratie scheint die Bewegung ihren Ursprung, ihre Militanz auf der Strasse, etwas verloren zu haben. Die «Meetup»-Zirkel der Bewegung sind weniger aktiv. Geht etwas verloren?

Der Dialog ist immer noch da, ich bin immer auf der Strasse unter Leuten. Auch unser Spitzenkandidat Luigi di Maio ist immer unter den Menschen. Der Austausch an der Basis ist noch immer Realität. Das ist unser Naturell. Wir wollen, dass die Bürger sich beteiligen, neugierig sind.

Wenn Sie über Demokratie reden, zitieren Sie oft die Schweiz. Weshalb genau?

Für mich ist die Schweiz ein Modell. Ich glaube, das Schweizer Referendumssystem ist das demokratischste, das ich kenne. Dann habt ihr aber auch Dinge, die wahnsinnig anspruchsvoll sind: diese unglaubliche Strenge zum Beispiel.

Das Gespräch führte Gianluca Galgani.

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