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International Warum Bulgarien Verständnis für die russische Ukraine-Politik hat

Die Spannungen auf der Krim und in der Ostukraine bewegen auch die anderen Länder der Region. In Polen oder im Baltikum fühlen sich viele Menschen bedroht. Ganz anders ist die Lage in Bulgarien, berichtet SRF-Korrespondent Marc Lehmann.

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Bulgarische Sympathien für Russland
aus Echo der Zeit vom 25.04.2014. Bild: Reuters
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 19 Sekunden.

SRF: Wie wurde die Annexion der Krim in Bulgarien kommentiert?

Marc Lehmann: Relativ nüchtern. In Bulgarien herrscht überwiegend die russische Sicht vor, wonach sich Russland mit der Krim zurückholt, worauf es historischen Anspruch zu haben glaubt. Gewiss, es gab und gibt kritische Stimmen, aber im Grossen und Ganzen ist der Ton gegenüber Russland in den bulgarischen Medien ein milder.

Warum?

Bulgarien ist sicher das EU-Land mit den engsten Beziehungen und den grössten Sympathien für Russland. Das hat historische Gründe, aber auch die wirtschaftlichen Banden sind immer noch eng. Auch in ihrer Mentalität stehen sich die beiden Nationen nah. Es sind zwei slawische Brudervölker, die den gleichen orthodoxen Glauben haben und deren Sprachen verwandt sind. Historisch fühlen sich die Bulgaren zu Dank verpflichtet, weil die Russen sie im 19. Jahrhundert von der osmanischen Herrschaft befreit hatten, ‹vom türkischen Joch›, wie es im Volksmund heisst. Im kollektiven Gedächtnis ist dies immer noch wichtig. Und auch die engen Beziehungen im Kommunismus ihre Spuren hinterlassen. Man sprach ja gerne von Bulgarien als der 16. Sowjetrepublik.

Marc Lehmann

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Seit 2007 Osteuropa-Korrespondent für SRF mit Sitz in Prag. Zuvor arbeitete er als Produzent und Moderator der Radiosendung «Heute Morgen». Frühere Stationen: Blattmacher bei der Zeitung «Bund», Programmleiter von Radio ExtraBern und Dozent am MAZ. Studium Zeitgeschichte, Journalismus, osteuropäische Politik in Fribourg, Arhus und Cardiff.

In wieweit ist Bulgarien wirtschaftlich abhängig von Russland?

Bulgarien ist komplett auf russische Energie angewiesen, sei es beim Gas, beim Öl oder bei der Atomkraft. Ohne russische Energie läuft nichts. Viele russische Firmen sind zudem über Tochtergesellschaften in Bulgarien engagiert – vor allem im Immobiliengeschäft reden die Russen mit. An der Schwarzmeerküste sind viele Besitzer einer Wohnung mit Meerblick. Die bulgarischen Tourismusdestinationen am Schwarzen Meer sind in den Sommermonaten fest in russischer Hand.

Die Verbindungen reichen sogar bis in die Unterwelt. Das ist zwar schwierig zu belegen, aber mafiöse Kreise in Bulgarien sind wohl eng verbandelt mit russischen. Die gesamte frühere Führungselite, die noch heute in vielen Bereichen den Ton angibt, wurde in Russland ausgebildet. Die Verbindungen halten bis heute.

Das kann man nachvollziehen. Dennoch ist es auch paradox, denn Bulgarien ist sowohl Mitglied der EU als auch der Nato.

Durch diese Beitritte hat sich das Land nach Westen ausgerichtet. Mittlerweile wird die Einbindung in Europa offiziell von allen politischen Lagern getragen, nicht zuletzt auch aus Opportunismus. Bulgarien profitiert vom freien Handel mit der EU und von Strukturfonds in Milliardenhöhe. Das Geld aus Brüssel nimmt man gerne. Auch von der Personenfreizügigkeit haben viele Menschen profitiert. Doch das ändert nichts an den Sympathien zu Russland. Bulgarien ist auch als Bremser aufgetreten, als es um Sanktionen gegen Russland ging. Heikler ist aus westlicher Sicht jedoch die bulgarische Mitgliedschaft bei der Nato. Hier ist auch schon das böse Wort vom trojanischen Pferd gefallen.

Aber Bulgarien liegt ja nicht im Herzen der EU oder der Nato.

Ja, und ausserdem hat sich Bulgarien ja verpflichtet, loyal zu sein und die europäischen Standards einzuhalten. Übers Ganze gesehen fühlt sich Bulgarien schon gut aufgehoben in der EU und in der Nato. Allerdings sind viele Menschen auch enttäuscht, weil sie sich immer noch als Europäer zweiter Klasse fühlen. Und mit den Russen verbindet sie auf der mentalen Ebene eigentlich mehr. Und so ist es manchmal eine Zerreissprobe zwischen Ost und West.

Das Gespräch führte Peter Vögeli.

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