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Jacob Zuma mit hochgestreckten Daumen und ANC-Mütze.
Legende: «Der verheerendste Parteichef des ANC»: Präsident Jacob Zuma sorgte vor allem durch Korruptionsskandale für Aufsehen. Reuters

Weichenstellung in Südafrika Wer räumt Zumas Scherbenhaufen auf?

Korruption und Patronage spalten den ANC. Nun sucht die Bewegung einen neuen Chef. Ein Neuanfang? Noch nicht.

Südafrika wartet mit Spannung auf eine der wichtigsten politischen Weichenstellungen seit dem Ende der Apartheid. Denn bei der 54. Konferenz des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), die am Samstag in Johannesburg beginnt, geht es um mehr als nur die Frage, wer Jacob Zuma im Amt des Parteivorsitzenden ablöst.

Es geht um die Zukunft der einst ehrwürdigen Befreiungsbewegung Nelson Mandelas, die untrennbar mit der Zukunft des Landes verbunden ist. «Jacob Zuma ist der verheerendste Parteichef seit der Gründung des ANC vor über einhundert Jahren», betont der Politikwissenschaftler Prince Mashele. Zumas von Korruptionsskandalen überschattete Präsidentschaft habe nicht nur seinem Land enormen Schaden zugefügt, sondern auch seine Partei tief gespalten.

Leonie March

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Die Journalistin Leonie March lebt und arbeitet seit 2009 in Südafrika. Von dort sowie aus anderen afrikanischen Ländern berichtet sie als freie Journalistin für verschiedene deutschsprachige Medien.

Der tiefe Riss in der Massenbewegung

Traditionell vertritt der ANC ein breites politisches Spektrum. Zumas Vorgängern sei es gelungen, ihre ideologisch vielfältige Partei auch nach der demokratischen Wende zusammenzuhalten, so Mashele. «Zuma und seine Führungsriege haben jedoch auf ganzer Linie versagt. Durch den ANC geht heute ein tiefer Riss, der nur schwer zu kitten sein wird.»

Jacob Zuma hinterlässt seinem Nachfolger einen Scherbenhaufen. Trotzdem wollen sich sieben Kandidaten der Verantwortung stellen, sowohl das wirtschaftlich angeschlagene Südafrika als auch den ANC aus der Krise zu führen.

Blutiger Machtkampf

Bei einem Treffen im November betonten sie alle in seltener Einigkeit, dass sie weitere Brüche in ihrer Partei, auch mit Blick auf die schwindende Wählergunst und die Parlamentswahlen 2019 verhindern wollen. Doch hinter den Kulissen tobt ein erbitterter Machtkampf.

Zumas Heimatprovinz Kwazulu-Natal wird von politischen Morden erschüttert. In zahlreichen Landesteilen mussten Gerichte parteiinterne Querelen schlichten. In etlichen Ortsverbänden gab es Streit um angeblich gefälschte Wahlergebnisse und manipulierte Mitgliederzahlen, die entscheidend für die Entsendung der Delegierten sind.

Vize-Präsident als Hoffnungsträger

Rund 5000 von ihnen werden in Johannesburg über die neue Parteiführung abstimmen. Dabei wird ein Kopf-an-Kopf Rennen zwischen Vize-Präsident Cyril Ramaphosa und der ehemaligen Kommissionsvorsitzenden der Afrikanischen Union, Nkosazana Dlamini-Zuma, erwartet.

Ramaphosa, ein ehemaliger Gewerkschaftsführer und politischer Ziehsohn Mandelas, wurde nach der Apartheid zu einem der reichsten Männer Südafrikas. Aus Sicht seiner Anhänger prädestiniert ihn seine Karriere geradezu dafür, die kriselnde südafrikanische Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, die Arbeitslosigkeit von derzeit über 28 Prozent zu senken und das angeknackste Vertrauen ausländischer Investoren wiederzugewinnen.

Cyril Ramaphosa.
Legende: Ziehsohn Mandelas und Mann der Wirtschaft: Viele Südafrikaner setzen ihre Hoffnungen auf Vize-Präsident Cyril Ramaphosa. Reuters

Vor dem Parlament bezeichnete Ramaphosa die ausufernde Korruption als «Feind des Volkes» und versprach, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Viele Südafrikaner hoffen, dass Jacob Zuma bei einem Sieg Ramaphosas schon vor Ablauf seiner Legislaturperiode 2019 seinen präsidentiellen Hut nehmen und sich für seine korrupten Machenschaften vor Gericht verantworten muss.

Der Oppositionspolitiker Bantu Holomisa, der in den 1990er Jahren eng mit Ramaphosa zusammengearbeitet hat, zeigte sich gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters dagegen eher skeptisch. Ramaphosa habe bislang als Vize-Präsident nichts gegen die Korruption unternommen. «Es ist unklar, ob er es nach seiner Wahl tun würde.»

Zuma portiert seine Ex-Frau

Als noch unwahrscheinlicher gilt es, dass seine Kontrahentin Dlamini-Zuma – die Ex-Frau Jacob Zumas – Massnahmen gegen ihn und seine korrupte Machtclique ergreifen wird. Zwar kritisierte auch sie bei einer öffentlichen Veranstaltung, dass Korruption vor allem den armen Menschen schade, «die diese Ressourcen dringend brauchen.» Aber es ist ihr nicht gelungen, sich eindeutig von dem Vater ihrer vier Kinder zu distanzieren, der ihre Kandidatur öffentlich unterstützt hat.

Politisch scheint sie den Kurs des Zuma-Flügels im ANC weitgehend fortsetzen zu wollen. Bei ihren öffentlichen Auftritten propagierte sie das Programm «radikaler wirtschaftlicher Transformation», durch das schwarze Südafrikaner zu mehr Wohlstand kommen sollen.

Nkosazana Dlamini-Zuma.
Legende: Wird Nkosazana Dlamini-Zuma im korrupten System ihres Ex-Mannes aufräumen? Daran zweifeln in Südafrika viele. Reuters

Auch die umstrittene Enteignung landwirtschaftlichen Besitzes ohne Entschädigung scheint sie als Option in Erwägung zu ziehen. Diese populistischen Töne kommen vor allem in der armen Landesbevölkerung und der ANC-Jugendliga gut an. Dagegen rechnen Wirtschaftsexperten bei einem Sieg Dlamini-Zumas mit einer weiteren Schwächung der südafrikanischen Währung und einer erneuten Abstufung durch die Ratingagenturen.

Allein die Tatsache, dass diese sehr unterschiedlichen Kandidaten mit ihren konträren politischen Programmen so nah beieinander liegen, dass «eine verlässliche Vorhersage schier unmöglich» sei, zeige die innere Zerrissenheit des ANC, schrieb ein Kommentator in der Zeitung «Daily Maverick».

Ein System wie ein Krebstumor

Für beide Parteiflügel steht viel auf dem Spiel; beide werden mit harten Bandagen für ihre Kandidaten kämpfen. Selbst hochrangige ANC-Mitglieder wie der Premier der Provinz Gauteng, David Makhura, gehen davon aus, dass es längst nicht allen Delegierten bei diesem Parteitag in erster Linie um das Wohl ihres Landes oder ihrer Partei geht.

«Es gibt viele Einflussfaktoren. Dazu zählt auch die Möglichkeit, dass Stimmen gekauft werden», sagte Makhura in einem Interview mit Bloomberg in Johannesburg. Zumas System der Patronage hat sich offensichtlich wie ein Krebstumor auf allen Ebenen seiner Partei eingenistet. Für einen wirklichen Neuanfang wird es mehr als nur einen neuen Parteivorstand brauchen. Doch von der ANC-Nationalkonferenz könnte ein wichtiges erstes Signal für einen Neuanfang ausgehen.

Von der Freiheitsbewegung zur Regierungspartei

Sendebezug: Echo der Zeit, 6.12.2017, 18 Uhr.

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