Weltsozialforum – langer Kampf für eine «andere» Welt
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Bild 1 von 6. Das erste Weltsozialforum fand im Januar 2001 in Porto Alegre (Brasilien) statt. Unter dem Motto «Eine andere Welt ist möglich» sollte es den sozialen Bewegungen eine Diskussionsplattform bieten. Rund 12'000 Personen und mehr als 1000 Organisationen aus aller Welt nahmen daran teil. Nachfolgend eine Auswahl einiger Foren. Bildquelle: Reuters.
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Bild 2 von 6. Zwei Jahre später nahmen in Porto Alegre bereits mehr als 100'000 Menschen – darunter Delegierte von fast 5800 Organisationen – am Weltsozialforum teil. Hauptthema war der drohende Einmarsch der USA im Irak. Das Forum wurde zum Ausgangspunkt für die grössten Massendemonstrationen der Menschheitsgeschichte zugunsten des Friedens. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 6. Mit dem vierten Weltsozialforum im indischen Mumbai (Bombay) wagte man den Sprung auf einen anderen Kontinent. Neue Themen, wie beispielsweise religiöser Fanatismus und das diskriminierende Kastenwesen, kamen auf die Tagesordnung. Bildquelle: Reuters.
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Bild 4 von 6. Über 130'000 Besucher aus 142 Ländern nahmen 2009 am Forum in Belém (Brasilien) teil. Um ein klimapolitisches Zeichen zu setzen, wählte man als Veranstaltungsort die Grossstadt am Amazonasdelta. Im Zentrum der Veranstaltung standen eine ökologische Politik und das Schicksal der Amazonasregion. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 6. Das zehnte Weltsozialforum fand im Februar 2011 in Dakar (Senegal) statt. Ein prominenter Redner war der bolivianische Präsident Evo Morales. Vor Zehntausenden Globalisierungskritikern plädierte er für eine gerechtere Verteilung der Ressourcen der Erde. Weiteres Thema waren die Volksaufstände in der arabischen Welt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 6. 2013 fand das WSF zum ersten Mal in einem arabischen Land statt. Geschätzte 65'000 Personen nahmen in Tunis am Forum teil. Mit der Wahl von Tunis als Austragungsort sollte die Bedeutung der tunesischen Revolution und der regionalen demokratischen Bewegungen unterstrichen werden. Bildquelle: Reuters.
In der tunesischen Hauptstadt Tunis hat das zweite Weltsozialforums (WSF) begonnen. Unter dem Motto «Recht und Würde» diskutieren Gewerkschafter, Vertreter von Nichtregierungsorganisationen und sozialen Bewegungen in den kommenden Tagen über Alternativen zur kapitalistischen Weltordnung.
Die Wahl des Austragungsortes und die Aktualität prägen jeweils das Agenda-Setting. In Tunis stehen Entwicklungen wie der Widerstand der griechischen Bevölkerung gegen Sparprogramme und der Kampf gegen das Freihandelsabkommen TTIP zwischen EU und USA auf der Agenda. Auch über Terror wird erstmals debattiert.
Wie aktuell das Thema ist, zeigte auf tragische Weise der Anschlag auf das Bardo-Museum in Tunis. Dass das Forum dennoch durchgeführt wird, ist auch eine Demonstration der Solidarität mit der tunesischen Demokratiebewegung.
Erfolgreiche Revolution, stockende Wirtschaft
Die Organisatoren sehen «Tunis II» als Chance, die «emanzipatorischen politischen Akteure in der Region weiter zu unterstützen und zu stärken». Denn seit dem Volksaufstand, der am 14. Januar 2011 zum Sturz von Machthaber Zine al-Abidine Ben Ali führte, wurden tausende Nichtregierungsorganisationen gegründet.
Dies sei politisch interessant, meint Sergio Ferrari von der Schweizer Nichtregierungsorganisation E-changer/Comundo, der auch dieses Mal am Forum dabei ist. Tunesien, Ursprungsland des Arabischen Frühlings, hat den Übergang politischer Institutionen mit den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im letzten Herbst zwar geschafft und gelte als entsprechendes Vorzeigeland.
So zählen die Tunesierinnen und Tunesier die grössere Meinungsfreiheit zu den Errungenschaften ihrer Revolution. Es fehlt jedoch immer noch massiv an Arbeitsplätzen – und gerade die ökonomischen Probleme hatten den Ausschlag für den Volksaufstand 2011 gegeben.
Neben der Aktualität werden auch dieses Jahr in Tunis die ungleiche Verteilung von Reichtum für Gesprächsstoff sorgen, sowie der Preis, den Gesellschaft und Umwelt für diese Ungleichheiten bezahlen. Auch zur Bedeutung sozialer Bewegungen, zur Migration oder einer solidarischen Entwicklungszusammenarbeit werden Workshops angeboten.
60-köpfige Schweizer Delegation
Aus der Schweiz beteiligen sich rund 60 Politiker, Gewerkschafter und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen am diesjährigen WSF. Auch einige Politiker aus dem Bundeshaus reisen nach Tunis, unter ihnen Ständeratspräsident Claude Hêche (SP), SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer sowie die Grünen Ueli Leuenberger, Christian Van Singer und Luc Recordon.
Trotz des Attentats von Tunis hat keiner der Schweizer Politiker die Teilnahme abgesagt. Im Vorfeld des Forums sagte Leuenberger, dass man die «Tunesier nicht im Regen stehen lassen darf und nur schon aus Solidarität hinreisen muss». Viele junge Tunesier hätten sich aus Perspektivlosigkeit heraus in Syrien oder dem Irak Dschihadisten angeschlossen; nicht zuletzt deshalb versteht Leuenberger das WSF und den Kampf gegen die hohe Arbeitslosigkeit in Tunesien als eine Art Prävention gegen den Terrorismus.
Gegenpol zu Davoser WEF
Das Weltsozialforum
Das Weltsozialforum fand erstmals 2001 in Porto Alegre (Brasilien) als zivilgesellschaftlicher Gegenentwurf zum elitären Davoser Weltwirtschaftsforum (WEF) statt. Nur wenige tausend Personen nahmen damals daran teil. «Inzwischen ist das WSF das bedeutendste Treffen der weltweiten Zivilgesellschaft geworden», sagt Ferrari.
Auch wenn am Weltsozialforum jeweils kein Abschlussdokument verabschiedet wird, kann das Forum nach Meinung des Schweizer NGO-Vertreters Ferrari durchaus Resultate vorweisen. So sei etwa die neue spanische Partei Podemos aus der Bewegung der «Empörten» hervorgegangen, die 2008 unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise entstand.