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International Wenn private Schiedsgerichte urteilen: Der Fall Roşia Montană

Bei den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP zwischen den USA und der EU steht besonders ein Punkt in der öffentlichen Kritik: die geplanten privaten Schiedsgerichte für Investoren. Ein Beispiel aus Rumänien zeigt, wie es zu einer solchen Klage kommen kann.

Anfang dieses Jahres entschied das rumänische Kulturministerium, die Gegend rund um das Bergdorf Roşia Montană im Siebenbürgischen Erzgebirge als Ort von «historischem Interesse» zu schützen. Bereits lange vor Christi Geburt wurde hier nach Gold geschürft, viele archäologische Funde zeugen vom Bergbau aus der Römerzeit und davor. Das Dorf selbst gilt als eine der ältesten Siedlungen des Landes.

Mit dem Schutz des Gebietes setzte das Ministerium gleichzeitig einen möglicherweise endgültigen Schlussstrich unter die Pläne eines mehrheitlich kanadischen Konzerns, dort die grösste Tagbau-Goldmine Europas zu errichten. Doch ganz zu Ende ist das Kapitel noch nicht. Denn: Der Konzern hat beim Schiedsgericht der Weltbank einen Antrag auf eine Investor-Staat-Streitbeilegung eingereicht. Kurz: Er will Rumänien auf 2,56 Milliarden Dollar verklagen.

300 Tonnen Gold, 1500 Tonnen Silber

Ein Blick zurück: Bereits Ende der 1990er-Jahre kündigte die Rosia Montana Gold Corporation (RMGC) an, im Gebiet um das gleichnamige Dorf eine riesige Tagbau-Mine aufbauen zu wollen. Die Firma ist ein Gemeinschaftsprojekt: Knapp 20 Prozent hält die rumänische Bergbaufirma Minvest, gut 80 Prozent der kanadische Bergbauer Gabriel Ressources. Nach Fertigstellung sollten vor Ort über 16 Jahre hinweg über 300 Tonnen Gold und 1500 Tonnen Silber abgebaut werden. Hunderte von Arbeitsplätzen sollten in der kriselnden Region entstehen. RMGC versprach Rumänien Steuereinnahmen in Milliardenhöhe – und sich selbst Milliardengewinne.

Doch das Projekt hatte seinen Preis: Vier Berge hätten gesprengt werden müssen. Ein ganzes Tal wäre zu einem Auffangbecken für die giftige, zyanidhaltige Lauge geworden, von der 13 Millionen Tonnen jährlich als Abfall aus dem Edelmetall-Abbau angefallen wäre. Eine 180 Meter hohe Staumauer hätte das Giftgemisch im 500 Fussballfelder grossen Becken halten sollen, wie die Firma im damaligen Abfallmanagementplan festhielt. Auch das Dorf Roşia Montană hätte dem Projekt weichen müssen, 2000 Menschen in dessen Umgebung wären umgesiedelt worden.

Massenproteste in Bukarest

RMGC erhielt für das Gebiet zwar eine Tagebaulizenz, doch in der Bevölkerung Rumäniens wuchsen die Bedenken und der Widerstand, vor allem wegen möglicher Umweltschäden. Im Jahr 2013 kam es gar zu Massenprotesten in der Hauptstadt Bukarest, an denen Zehntausende Menschen teilnahmen – die grössten Demonstrationen im Land seit den 1990er-Jahren. Rumäniens Regierung, welche das Minenprojekt zuvor unterstützte, begann zu wanken.

Gleichzeitig setzte die kanadische Gabriel Ressources die Regierung unter Druck: Sie drohte mit einer Schiedsgerichtsklage in der Höhe von vier Milliarden Dollar, sollte das Minenprojekt gestoppt werden. Doch das rumänische Parlament stimmte 2014 dennoch gegen ein Gesetz, das dem Bau der Mine endgültig grünes Licht gegeben hätte – und schob diesen damit auf unbestimmte Zeit auf.

Klage über Firmenableger

Im Juli 2015 schliesslich – nachdem der Konzern nach eigenen Angaben bereits mehr als 500 Millionen Euro in das Minen-Projekt investiert hatte – machte Gabriel Ressources seine Drohung wahr. Der Konzern stellte beim International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID) der Weltbank einen Antrag auf ein Schiedsgerichtsverfahren. Gabriel Ressources klagt offenbar auf Entschädigungen in der Höhe von 2,56 Milliarden Dollar, wie der «Ecologist» unlängst schrieb. Der Ausgang des Verfahrens ist noch offen, wie Greenpeace auf Anfrage mitteilt.

Die kanadische Firma stützt sich dabei auf einen bilateralen Handelsvertrag zwischen Rumänien und Grossbritannien, der den Investorenschutz und die Möglichkeit zur Klage vor Schiedsgerichten ähnlich regelt, wie dies derzeit bei den TTIP-Verhandlungen zwischen den USA und der EU vorgesehen ist. Trotz der kanadischen Herkunft von Gabriel Ressources war dies möglich: Der Konzern hat nämlich einen Ableger – NGO sprechen von einer Briefkastenfirma – auf der britischen Insel Jersey.

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