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Wiener Akademikerball Wo die rechtsextremen Burschen tanzen

Der Akademikerball ist regelmässig Auslöser von Demonstrationen. In diesem Jahr ist die Lage besonders angespannt.

Wenn es heute Abend einen Ort gibt, der in Sachen Polizeischutz mit dem Kongresszentrum in Davos mithalten kann, ist es wahrscheinlich die Hofburg in Wien. 3000 Polizisten werden laut dem «Standard» eine Sperrzone rund um die ehemalige Kaiserresidenz errichtet. Seit 17:00 ist die Gegend grossräumig abgesperrt.

Anders als in Davos schützen die Polizisten aber nicht globale Führer aus Wirtschaft und Politik, sondern lokale Burschen mit Führer-Ambitionen. Die Freiheitliche Partei Österreichs FPÖ hat zum jährlichen Akademikerball geladen, erwartet werden insbesondere Teilnehmer aus den Burschenschaften – Studentenverbindungen, denen in Österreich in vielen Fällen eine Nähe zu rechtsnationalem Gedankengut nachgesagt wird.

Im Herzen der Republik

Proteste gegen den Akademikerball und den vorangehenden WKR-Ball, der noch direkt von den Burschenschaften organisiert wurde, finden bereits seit Jahren regelmässig statt. Der Anlass ist hoch umstritten. Bernhard Odehnal, Österreich-Korrespondent des «Tages Anzeigers», bezeichnet die Burschenschaften im Gespräch mit Radio SRF als «immer noch stark rassistisch und antisemitisch».

Insbesondere der Austragungsort des Balls bringe grosses Konfliktpotenzial mit sich: «Er findet im Herzen der Republik statt: mitten in der Hauptstadt und in direkter Nähe zum Präsidenten und zum Parlament. Mehr Provokation geht fast nicht.» Schwierig sei in diesem Jahr zudem die Teilnahme von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Dieser besuchte den Ball zwar auch schon in vergangenen Jahren, ist seit Dezember 2017 aber Vizekanzler von Österreich. «Wenn ein offizieller Vertreter der Republik so einen Ball eröffnet, hat es eine ganz andere Symbolik.»

Rechtsextreme Lieder

Angeheizt wird die Stimmung zudem durch eine Recherche des Magazins Falter: Es veröffentlichte kürzlich Liedtexte der Burschenschaft Germania, der auch FPÖ-Spitzenpolitiker Udo Landbauer angehört. Darin finden sich Stellen wie: «Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion. Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million» – eine Anspielung auf die sechs Millionen Juden, die Nazis ermordet haben. Landbauer gibt an, die Texte nicht gekannt und nicht gesungen zu haben.

Als Reaktion auf die Veröffentlichung verurteilte der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz die Liedtexte. FPÖ-Chef Strache seinerseits kündigte an, am Ball keine Antisemiten zu tolerieren. Landbauer kandidiert am Sonntag bei der Landtagswahl in Niederösterreich. Ihn davon auszuschliessen steht aber offensichtlich nicht zur Debatte. Odehnal erklärt das damit, dass die ÖVP auf die FPÖ als Koalitionspartner angewiesen sei. «Ich denke, wir werden in Zukunft noch mehr solche Fälle sehen, bei denen nichts passiert.»

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