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Zehn Jahre Staat Kosovo Zwischen Euphorie und Kater

Vor zehn Jahren unterschrieb Präsident Hashim Thaçi die Unabhängigkeitserklärung. Nun wird mit Rita Ora gefeiert.

Der Soundcheck auf dem Skanderbeg-Platz übertönte alles in der Stadt: Die Musik der Strassencafés, die schwarzen Vögel, die ausgelassene Stimmung auf dem verstopften Mutter-Teresa-Boulevard. Am Samstagabend singt die britisch-kosovarisch Sängerin Rita Ora zu Ehren der Unabhängigkeit Kosovos.

Unabhängig, aber gescheitert?

Die Festlaune überstrahlt für einen kurzen Moment die Sorgen des jungen Staates: Viele, besonders junge, gut ausgebildete Leute wollen weg. Die Schweiz ist noch immer ein Sehnsuchtsort. Fehlende Jobs und Abhängigkeiten von starken Männern in allen Bereichen des Lebens behindern die persönliche Entfaltung der jungen Generation.

Dies betrifft insbesondere auch die politische Szene: Ehemalige Kommandanten der Kosovo-Befreiungsarmee UÇK besetzen die Staatsspitze – allen voran Präsident Hashim Thaçi. Im Interview mit SRF betont er allerdings mit Nachdruck, Kosovo sei kein gescheiterter Staat: «Das trompeten nur das russische ‹Sputnik›-Portal oder Belgrad heraus.»

Hindernis Ethno-Nationalismus

Serbien anerkennt die Unabhängigkeit Kosovos nicht, hat aber unter EU-Schirmherrschaft Normalisierungsabkommen mit der Regierung abgeschlossen. Polit-Beraterin Luljeta Aliu ist vor zehn Jahren nach Kosovo zurückgekehrt. Was Kosovo in den letzten zehn Jahren trotz aller Probleme erreicht habe, findet sie beachtlich, sagt sie gegenüber 10vor10: «Wir sind erst seit zehn Jahren ein eigener Staat.» Ein grosses Hindernis sei der Einfluss Serbiens auf Kosovo.

Er sieht die Chance Kosovos in der Bildung: Arben Hajrullahu hat in Wien promoviert und ist heute Professor an der Universität Pristina. Ein streitbarer Gelehrter, der auch seine Studierenden herausfordert: «Das Hindernis in dieser Region sind sowohl der serbische- als auch der albanische Ethno-Nationalismus.»

Do it yourself, Kosovo!

Hajrullahu organisiert ein akademisches Austauschprogramm der Universität Fribourg: «Eine Win-Win-Situation: Kosovaren kommen als Intellektuelle und nicht als Arbeitskräfte. Schweizer lernen die Heimat der grossen kosovarischen Diaspora kenne.» Im Mai besuchen Studenten aus der Schweiz ihre Kommilitonen in Pristina. Nächtelange Diskussionen sind vorprogrammiert.

Vllaznim Xhiha hat wohl als erster Kosovare überhaupt an der ETH in Zürich studiert. Kürzlich verkauft er sein Technologieunternehmen für 170 Millionen. Jetzt investiert er sein Geld in die Ausbildung von Kindern. Sie lernen in der Stadt Gjakova im Westen Kosovos den Bau von Robotern und 3D-Druckern. Seine Technologie-Plattform heisst Bonevet: Mach es selber! Der Name ist Programm: Nimm Dein Glück selber in die Hand statt zu jammern! Do it yourself, Kosovo!

Serbische Protestnote

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Am Wochenende hat der serbische Aussenminister Ivica Dačić bekanntgegeben, das afrikanische Land Burundi habe die Anerkennung Kosovos zurückgezogen. Gleichzeitig erhielt die Karibik-Insel eine Protestnote aus Belgrad «über den erstaunlichen Akt, den sogenannten Staat Kosovo anzuerkennen». Serbien wird aber wohl noch in diesem Jahr über den eigenen Schatten springen: Brüssel verlangt für die EU-Integration, dass Belgrad Kosovo als selbständigen Staat akzeptiert.

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