Sie erhielten als Erste den neu geschaffenen «Dialogpreis» der Schweizer Jüdinnen und Juden: Der Zürcher Rabbiner Noam Hertig und der Schlieremer Imam Muris Begovic. Die beiden fördern seit Jahren den Dialog zwischen Muslimen und Juden und sind auch privat Freunde geworden.
SRF: Ein Moslem und ein Jude, die offen ihre Freundschaft zeigen, wie aussergewöhnlich ist das in ihrem Umfeld?
Noam Hertig: Die meisten jüdischen Menschen, die ich kenne, haben auch nicht-jüdische Freunde. Es nicht aussergewöhnlich, dass wir christliche oder muslimische Kollegen haben. Bei mir war das bereits im Gymnasium so. Aussergewöhnlich ist wohl, dass wir befreundet sind, da wir als Imam und Rabiner beide in einer besonderen Stellung sind. Das braucht ein bisschen Mut. Aber es fühlt sich selbstverständlich an, denn wir haben viel gemeinsam.
Ist die Stimmung weniger aufgeheizt als in anderen Ländern - woran liegt das?
Muris Begovic: Es gibt Antisemitismus bei muslimischen Jugendlichen in Frankreich, aber das sind Randgruppen, das ist nicht die Mehrheit. Das gibt es in den Ghettos. Und das ist wohl der grosse Unterschied zwischen Frankreich und der Schweiz, dass wir hier keine Ghettos haben. Die Schweiz darf sich auf die Schultern klopfen, denn wir haben hier gute Integrationsarbeit geleistet. Hier gehen wir aufeinander zu. In Zürich hat zudem das Schulfach «Religion und Kultur» viel zum gegenseitigen Verständnis beigetragen. Denn die Kinder lernen so früh andere Religionen kennen.
Was bedeutet Ihnen dieser Dialogpreis?
Noam Hertig: Er zeigt, dass kein Weg am Dialog vorbei führt. Er bedeutet Wertschätzung. Er zeigt, dass der Dialog Früchte trägt. Dies wurde bei der Preisverleihung durch die Anwesenheit der jüdischen und muslimischen Dachorganisationen sowie des Bundespräsidenten unterstrichen. Der Preis zeigt, dass der Dialog der Weg sein muss.
Sie engagieren sich beide für das Projekt «Respect» welches Moslem- und Judenfeindlichkeit gemeinsam überwinden will, organisieren interreligiöse Treffen. Worüber wird da gesprochen?
Muris Begovic: Es braucht viel Vorbereitung. Zuerst suchen wir ein Thema, das mit «Gott und der Welt» zu tun hat. Zum Beispiel Wohltätigkeit im Islam und im Judentum. Dann suchen wir passende Texte, machen uns Gedanken dazu, erstellen Flyer für das Treffen und besprechen dann diese Themen am Treffen. Dabei kommen Gemeinsamkeiten, aber auch gegenseitige Vorurteile zur Sprache.
Das Gespräch führte Fanny Kerstein.