Der Fall Hildebrand
Die Geschichte beginnt im August 2011. Philipp Hildebrands Frau Kashya kauft eine halbe Million Dollar. Im September 2011 setzt die Nationalbank den Mindest-Wechselkurs des Franken fest. Als Folge davon steigen Euro und Dollar im Vergleich zum Franken. Im Oktober tauscht Kashya Hildebrand fast die ganze Summe zurück in Schweizer Franken. Sie macht einen Gewinn von knapp 67'000 Franken.
Hildebrands Vermögensverwaltung ist die Bank Sarasin. Von dort fliessen Informationen an den Thurgauer Anwalt und SVP-Kantonsrat Hermann Lei, weiter zu Christoph Blocher – und schliesslich an die Öffentlichkeit. Am 9. Januar 2012 nimmt Hildebrand seinen Hut.
Fall Hildebrand wird zum Fall Blocher
Gegen Blocher wird ein Strafverfahren eingeleitet. Er soll das Bankgeheimnis verletzt haben, indem er Hildebrands Daten weitergab. In Blochers Villa gibt es eine Hausdurchsuchung. Im Parlament streitet man darüber, ob Whistleblower Blocher in dem Verfahren Immunität geniesst. Nach langem Hin und Her ist klar: Alt Bundesrat Blocher muss sich dem Strafverfahren stellen.
Der Libor-Skandal
Die Eidgenössische Wettbewerbskommission (Weko) gibt bekannt: Wegen unerlaubter Absprachen beim Referenzzinssatz Libor läuft eine Untersuchung gegen die Grossbanken UBS und Credit Suisse. Zehn weitere Banken sind in die Untersuchung verwickelt. Die UBS hatte sich zu Jahresbeginn selbst angezeigt.
Am 19. Dezember folgt der Paukenschlag: Die UBS muss 1,4 Milliarden Franken Busse bezahlen. Das Geld fliesst an die schweizerischen, amerikanischen und britischen Behörden. Es ist die zweithöchste Strafe, die jemals gegen eine Bank verhängt wurde. Die Sache ist für die UBS noch nicht ausgestanden: Zivilrechtliche Klagen geprellter Anleger könnten folgen. Und der Reputationsschaden für die UBS ist gewaltig.
Privatbank Wegelin am Ende
Die älteste Schweizer Privatbank, die Wegelin & Co., ist Geschichte. Sie scheitert an ihren Steuerpraktiken in den USA. Der Druck der US-Steuerbehörde wird zu gross. Wegelin verkauft Ende Januar den gesunden Teil des Unternehmens an die Raiffeisen Bank. Das US-Geschäft wird zu einer «Bad Bank» und bleibt unter der Kontrolle von Wegelin.
Wegelin und zehn weitere Schweizer Banken sind ins Visier der US-Steuerbehörde geraten. Der Vorwurf: Die Schweizer sollen US-Kunden dabei geholfen haben, Vermögen von 1,2 Milliarden Dollar vor dem amerikanischen Fiskus zu verstecken.
Die Entstehung eines Rohstoffgiganten
Der weltgrösste Rohstoffhändler Glencore und der Bergbaukonzern Xstrata kündigen im Februar ihre Fusion an. Ein Rohstoffgigant mit über 20 Milliarden Dollar Jahresumsatz soll entstehen. Der Konzern handelt mit Bergbauprodukten, fossilen Energieträgern, Industriegütern und Agrarerzeugnissen. Er wird auf den Märkten eine beherrschende Stellung einnehmen. Die weltgrösste Drehscheibe für Rohstoffe entsteht – angesiedelt in der Schweiz.
Ende November billigt die EU-Kommission die Fusion. Glencore und Xtrata haben damit eine wichtige Hürde genommen. Ganz ist die Fusion noch nicht vollzogen. Die Wettbewerbskommissionen in China und Südafrika müssen noch zustimmen. Einen Zeitplan gibt es nicht.
Facebook: Der glanzlose Börsengang
Am 18. Mai ist es soweit: Das soziale Netzwerk Facebook geht in den USA an die Börse. Der Aktienkurs schliesst am ersten Handelstag mit 38,23 Dollar – nur minimal über dem Ausgabepreis von 38 Dollar. Nach der Euphorie im Vorfeld des Börsengangs wird Facebook rasch vom nüchternen Alltag an der Wall Street eingeholt. Die Aktie kostet wenig später nur noch halb so viel wie zum Start. Anleger, die am ersten Börsentag Geld in Facebook-Aktien gesteckt haben, verlieren die Hälfte ihres ganz realen Geldes. Zum Jahresende wird sich der Kurs leicht erholen.
Europäische Zentralbank senkt Zins auf historischen Tiefststand
Die Europäische Zentralbank senkt im Juli den Leitzins im Euroraum erstmals seit Einführung des Euros unter ein Prozent – um 0,25 Punkte auf 0,75 Prozent. Auch der Zinssatz, zu dem sich Banken Geld bei der Euro-Notenbank leihen können, wird gesenkt. Die Idee dahinter: Kredite werden billiger, sparen lohnt sich weniger – und die Wirtschaft wird angekurbelt.
Sieben Jahre Knast für Milliarden-Zocker
London im Spätsommer, der Prozess um den 2,3-Milliarden-Verlust der UBS: Die Anklage meldet sich zu Wort. Der Ex-UBS-Händler Kweku Adoboli hat nach ihrer Überzeugung mit seiner Zockerei die Existenz der Bank beroht. Er sei ein verantwortungsloser Spieler. Im Interesse seiner Karriere, seiner Boni und seines Egos habe er das Schicksal der grössten Schweizer Bank aufs Spiel gesetzt. Im November folgt das Urteil: Adoboli muss sieben Jahre hinter Gitter.
Die Bank hat durch Adoboli nicht nur Geld verloren. Sie verlor ein weiteres Mal an Glaubwürdigkeit. Die britische Finanzmarktaufsicht attestiert der UBS, ihre interne Kontrolle habe versagt. Die Bank muss eine Busse von 44 Millionen Franken zahlen – die höchste Busse in der Geschichte des Finanzplatzes London.
Die Schweizer Finanzmarktaufsicht nimmt die Investmentbank der UBS an die Kandare. Das Mutterhaus der UBS muss bis auf weiteres jede Geschäftsinitiative seiner Investmentbank vorgängig mit der Aufsicht besprechen.
Kahlschlag bei den Grossbanken
Ende Oktober kündet die UBS-Spitze einen Aderlass beim Investmentbanking an. In den nächsten drei Jahren wird die Bank 10‘000 Stellen streichen, einen Viertel davon in der Schweiz. UBS-Chef Sergio Ermotti gibt den Politikern die Schuld. Die Bank müsse sparen, sagt er, weil der Bankenplatz so stark reguliert werde. Ermottis Worte verärgern die Politiker: SP-Präsident Christian Levrat spricht von einer «sinnlosen Ausrede». Und CVP-Fraktionschef Urs Schwaller kontert: «Hätten sich die Banken vorher selber reguliert, hätte es die Regulierungen in dieser Form nicht gebraucht.» Die UBS will mit dem Stellenabbau jährlich 5,4 Milliarden Franken sparen.
Auch die Credit Suisse will sparen: Die Bank legt in der Schweiz zwei Geschäftsfelder zusammen – die Vermögensverwaltung und das Geschäft der Privatkunden mit kleineren Vermögen. 300 Menschen müssen bei der CS ihren Platz räumen. Resultat für die Bank: 50 Millionen Franken weniger Ausgaben pro Jahr.
Stellenabbau, Stellenabbau, Stellenabbau
Auch an diversen Industriestandorten in der Schweiz überbringen Chefs ihren Angestellten schlechte Nachrichten. Mehrere tausend verlieren ihre Jobs. Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes: «In der Eurozone verlangsamt sich die Konjunktur, der Franken ist nach wie vor überbewertet, die Folge davon ist dieser massive Personalabbau.»
Jean-Claude Juncker geht, der Chef der Eurogruppe
Am 3. Dezember gibt Jean-Claude Juncker seinen Rücktritt auf Anfang 2013 bekannt. Mit Juncker verlässt einer der einflussreichsten europäischen Politiker die Eurogruppe. Acht Jahre hat er sie geleitet. In der Sendung «DOK» sagt Juncker: «Dass unsere Politik nicht auf Zustimmung stösst, das ist unverkennbar. Dass sich die europäische Politik in einem Erklärungsnotstand befindet, ist auch offensichtlich. Aber: Dass wir tun müssen, was wir tun, steht ausser Frage.»
EZB wird ab 2014 Aufseherin über alle europäischen Grossbanken
Am 13. Dezember einigen sich die EU-Finanzminister auf eine gemeinsame Bankenaufsicht. Die Aufgabe übernimmt die Europäische Zentralbank (EZB). Sie wird die Geschäfte der rund 150 wichtigsten Banken in den 17 Euro-Ländern unter die Lupe nehmen. Dies sind Banken, deren Bilanzvolumen 30 Milliarden Euro oder ein Fünftel der Wirtschaftsleistung des Heimatlandes übersteigt. Mindestens aber die grössten drei aus jedem Land. Bei ersten Anzeichen einer Krise greift die EZB auch bei kleineren Banken ein.