Zum Abschluss des Jubiläumsfests der Lia Rumantscha hat Präsident Johannes Flury bilanziert, dass es ein geselliges Fest gewesen sei, es habe Platz sowohl für lustige Momente als auch für ernsthafte Diskussionen gehabt.
Was aber hat das Fest gebracht? Über diese Frage haben wir uns mit der Journalistin Anna Serarda Campell unterhalten. Sie hat rund um den Anlass einen längeren Beitrag fürs romanische Fernsehen realisiert.
SRF News: Was sind Ihre persönlichen Eindrücke von diesem Fest?
Anna Serarda Campell: Es war fast wie eine grosse Klassenzusammenkunft. Ich hatte das Gefühl, man kennt sich. Die einzelnen Festtage waren thematisch gegliedert. Und so variierte auch die Zusammensetzung des Publikums von Tag zu Tag. Gut funktioniert haben die Schlager- und Literatur-Tage. Da hatte es immer volle Säle. Am Tag der Jugend hingegen hatte es am wenigsten Publikum – das gibt doch ein wenig zu denken. Immer ausverkauft war das Highlight des Fests, das Theater «Tredeschin». Es gab sogar zwei Zusatzvorstellungen. Das Stück kam gut an, gab aber auch zu reden.
Was gab denn zu reden?
Es war eine Neuinterpretation eines bekannten romanischen Märchens – modern und vielschichtig. Mit der Lia Rumantscha hatte das Stück aber weniger zu tun. Ich glaube, es gab etliche Leute im Publikum, die sich etwas Visionäreres oder Provokativeres gewünscht hätten.
Immer wieder fiel das Stichwort «romanische Party». Hat man denn nur gefeiert, gesungen und Theater gespielt oder hat man sich auch mit den Problemen der Rumantschia auseinandergesetzt?
Wer jetzt nur an ein rauschendes Fest denkt, liegt falsch. Das Konzept war, einen Überblick über das aktuelle künstlerische Schaffen in der Rumantschia zu zeigen – sei es literarischer oder auch musikalischer Art. Und an Podiumsdiskussionen wurden aktuelle Themen aufgenommen. Was mir persönlich gefehlt hat, neben all den Werkschauen, Diskussionen und Installationen, war ein klarer Forderungskatalog von Seiten der Lia Rumantscha darüber, wie es jetzt weitergehen soll.
Die «Südostschweiz» schreibt, dass das Fest dem Selbstbewusstsein und dem Zusammengehörigkeitsgefühl der Rätoromanen gutgetan hat. Schätzen Sie das gleich ein?
Das finde ich sehr fraglich und auch schwierig zu beurteilen zum jetzigen Zeitpunkt. Was ich sagen kann ist, dass es ein mutiger Entscheid war, das Fest in Zuoz im Oberengadin zu veranstalten – also in einem Gebiet, das schon sehr stark germanisiert ist. Andere Täler, in welchen Romanisch gesprochen wird, sind zum Teil aber weit weg vom Oberengadin. Da stellt sich schon die Frage, wie viele Romanen aus anderen Regionen die Reise nach Zuoz auf sich genommen haben. Ich bezweifle, dass der Anlass eine neue Bewegung initiiert hat.
Wie könnte es weitergehen, welches ist die grösste Baustelle für die Lia Rumantscha?
Immer wieder hiess es am Fest, man müsse wieder eine Einheit an der romanischen Basis schaffen. Streitigkeiten um die Idiome, um Rumantsch-Grischun müssten zur Seite gelegt werden, dann könne man auch wieder vorwärts schauen. Hier gibt es nach dem Fest nun wieder ganz viel Arbeit für die Lia Rumantscha.
Das Gespräch führte Sara Hauschild.