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Jüngster Luzerner Kantonsrat «Selfies sind ein Hype, die Klimakrise ist Realität»

Immer wieder stand Samuel Zbinden als Demonstrant vor dem Kantonsratssaal. Jetzt sitzt er selber im Parlament.

Am Montag, 17. Juni tagte das Luzerner Kantonsparlament zum ersten Mal in neuer Besetzung seit den Wahlen vom Frühling. Mit dabei waren zahlreiche Politikerinnen und Politiker, die zum ersten Mal im Rat sassen.

Dazu gehört auch Samuel Zbinden aus Sursee. Er ist mit 20 Jahren das jüngste Parlamentsmitglied und durfte deshalb eine Rede vor dem Plenum halten. Im Gespräch sagt Zbinden, wie es ihm an seiner ersten Session ergangen ist.

SRF News: Samuel Zbinden, in Ihrer Antrittsrede als jüngstes Ratsmitglied forderten Sie den Kantonsrat auf, mehr Mut zu zeigen, zum Beispiel in der Klimadebatte – wie fielen die Reaktionen der gestandenen Politiker und Politikerinnen aus?

Samuel Zbinden: Ich war recht überrascht. Zahlreiche Kantonsrätinnen und -räte haben mir gratuliert, und zwar nicht nur nach dem Motto «das hast du gut gemacht», sondern explizit auch zum politischen Inhalt meiner Rede – dabei waren auch Leute aus der CVP und der FDP.

Sie sind der Jüngste im Parlament – waren Sie nervös am Montag?

Ja, schon ein bisschen. Es war ähnlich wie damals beim Wechsel von der Primarschule ans Gymnasium. Plötzlich ist man wieder der Jüngste, und man fragt sich: «Wie läuft das jetzt, wie stimme ich richtig ab?» Es ist schon ein Neubeginn.

Plötzlich ist man wieder der Jüngste, und man fragt sich: «Wie läuft das jetzt, wie stimme ich richtig ab?»

Wie kommt man als junger Mensch in Sursee eigentlich zu den Grünen?

Ein Stück weit wurde ich bestimmt durch meine Eltern am Familientisch politisiert, die bei der Vorgängerorganisation der Grünen dabei waren. Als Einzelkind habe ich bei den Diskussionen zugehört und irgendwann auch mitdiskutiert. Entscheidend war aber, als ich realisierte, dass es mit der Klimakrise langsam ernst wird. Da sagte ich mir: «Jetzt musst du etwas unternehmen.» So kam ich zu den Jungen Grünen.

Die Klimakrise hat Sie in die Politik gebracht, sagen Sie – viele Leute sprechen da von einem Hype, der vor allem in den letzten Monaten aktuell wurde. Haben Sie sich bereits vorher damit befasst?

Ja, sicher, denn das Klima ist ja nicht erst seit ein paar Monaten ein Thema. Aber im letzten Sommer kamen neue Ereignisse hinzu, nicht nur die Klimaaktivistin Greta Thunberg, sondern auch der neue Bericht des Weltklimarats IPCC. Mich persönlich hat überrascht, wie drastisch der IPCC die Folgen der Klimakrise einschätzt. Aber ein Hype ist das ganz sicher nicht; Selfies sind vielleicht ein Hype, aber die Klimakrise ist Realität.

Sie standen schon vor der Klimadebatte in der Öffentlichkeit, als Sie vor zwei Jahren den Schülerstreik gegen die Sparmassnahmen vor dem Regierungsgebäude mitorganisierten. Jetzt sitzen Sie im Ratssaal im gleichen Gebäude. Wie haben Sie diesen Wechsel erlebt?

Das war schon etwas krass. Ich komme von der aktivistischen Seite der Politik auf der Strasse, mit klaren Forderungen. Im Rat ist das alles ganz anders, viel träger, man muss Kompromisse suchen und mit anderen zusammenarbeiten, die man vielleicht auf der Strasse bestreikt hat. Das ist eine Herausforderung für mich. Andererseits finde ich es extrem spannend, weil ich im Kantonsrat die Chance habe, die politische Realität der Bevölkerung im Kanton Luzern zu verändern, und das finde ich mega cool.

Ich komme von der aktivistischen Seite der Politik auf der Strasse, mit klaren Forderungen. Im Rat ist das alles ganz anders, viel träger.

Am Montag, 24. Juni kommt der Kantonsrat zu seiner Klima-Sondersession zusammen. Können Sie da als neues Mitglied bei Ihrem Kernanliegen bereits mitreden?

Ja, absolut. Ich kann sogar bereits meinen ersten Vorstoss vertreten. Es geht dabei um Veloförderung. Bei den Grünen werden die jungen und neuen Mitglieder von Anfang an miteinbezogen, es gibt keine Wartefrist.

Würden Sie jetzt trotzdem lieber Plakate schreiben als einen Vorstoss?

Das schliesst sich ja überhaupt nicht aus. Das Schlimmste, das ich mir vorstellen könnte, wäre, dass ich jetzt ein langweiliger Parlamentarier werde, der nicht mehr auf die Strasse geht. Ich will weiterhin streiken, Flyer verteilen, Unterschriften sammeln und coole und vielleicht auch provozierende Aktionen machen. Ich fände es schade, das aufzugeben.

Samuel Zbinden

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Samuel Zbinden (20) kommt aus Sursee und ist dort Präsident der Grünen. Er arbeitet gegenwärtig als Betreuer in einem Kinderheim in der Stadt Luzern. Im Herbst beginnt er ein Studium an der Universität Luzern. In seiner Freizeit engagiert er sich unter anderem als Scharleiter bei der Jungwacht Sursee.

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