Ein Zaun umgibt das Jugendheim Lory in Münsingen. «Wir möchten, dass das nicht mehr das Erste ist, was man sieht», sagt Heimleiterin Eliane Michel. Deshalb wird im Moment eine neue Statue errichtet, die als Blickfang dienen soll. Das Jugendheim in Münsingen habe sich in den letzten Jahren komplett verändert.
Vom Knast zum Heim
In den 90er-Jahren, als Eliane Michel die Heimleitung übernahm, habe sich das Lory eher wie ein Gefängnis angefühlt: «Zu einer bestimmten Zeit wurden nachts die Lichter über eine Generalschaltung gelöscht.» Das sei heutzutage nicht mal in einer Strafanstalt üblich. Und schon gar nicht in einem Heim.
Mädchen wurden früher zum Arbeiten ins Lory geschickt. Heute gibt es auch eine Schule und vor allem sozialpädagogisch ausgebildete Betreuerinnen und Betreuer.
Das Image blieb
Trotz Veränderungen hatte das Jugendheim immer wieder mit einem schlechten Ruf zu kämpfen. «Einmal rief ein Vater an, der seiner Tochter das Lory zeigen wollte – zur Abschreckung», sagt Eliane Michel. Es sei wichtig, dass man das Heim als Heim wahrnehme und nicht als Knast.
«Es ist nicht fair, das Lory heute noch als Gefängnis zu bezeichnen.» Verschlossene Türen gebe es zwar, aber das passiere zum Schutz der Jugendlichen: «Wenn wir mit jungen Frauen arbeiten wollen, ist es eine Minimalanforderung, dass sie anwesend sind.»
Auch in Online-Foren erzählen Frauen, die früher ins Lory eingewiesen wurden, von traumatisierenden und schlechten Erinnerungen. «Wir streiten das nicht ab. Wir versuchen ihnen – wenn sie wollen – das Heim im heutigen Zustand zu zeigen.»
Eine Beziehung aufbauen
Jetzt steht erneut ein Paradigmenwechsel an. Dieses Mal bezüglich der Art und Weise, wie man mit den Mädchen umgeht und mit ihnen arbeitet.
Früher wurden die Mädchen zum Beispiel konsequent bestraft, wenn sie zu spät zur Arbeit kamen. Das mache man heute nicht mehr so, sagt Eliane Michel.
«Wir versuchen zu den Mädchen und jungen Frauen eine Beziehung aufzubauen», so die Heimleiterin. Durch gezielte Konfrontation und Diskussion könne man ergründen, weshalb jemand zum Beispiel überreagiert. Das könne natürlich auch zu Reibungen führen, aber: «Reibung erzeugt auch Wärme.»