SRF News: Walter Dubler, das Bundesgericht hat Sie von sämtlichen Vorwürfen freigesprochen. Wie fühlen Sie sich nach diesem Urteil?
Walter Dubler: Das war natürlich ein sehr wichtiger Entscheid für mich. Es war ein langer und harter Kampf. Mein Anwalt Christian Bär und ich haben immer den Standpunkt vertreten, dass ich keine Straftat begangen habe. Darum haben wir auch bis zur letzten Instanz gekämpft.
Und nach dem Urteil der letzten Instanz, was war ihre erste Reaktion?
Das war für mich sehr wahrscheinlich das erfreulichste Telefonat, das ich dieses Jahr bekommen habe, eine grosse Erleichterung, weil ich schon langsam begonnen habe an der Aargauer Justiz zu zweifeln. Wir hielten es nicht für möglich, dass wir so weit gehen und einen solchen Aufwand betreiben müssten. Aber die Aussagen im Bundesgerichtsurteil haben uns gezeigt, dass das Schweizer Rechtssystem auch korrigierende Elemente enthält, das war gut.
Das Bundesgericht hat das Urteil des Obergerichts ja komplett umgedreht in allen Punkten. Dennoch werden auch in diesem Urteil Pflichtverletzungen ihrerseits erwähnt. Das heisst doch trotzdem, dass auch Sie Fehler gemacht haben?
Es ist so, dass ich mich wegen dieser Pendenz bei der Pensionskasse von Anfang an im Einwohnerrat entschuldigt habe. Es gab dazu auch Zeugenaussagen des Finanzverwalters und seinem Stellvertreter, dass nie ein Risiko bestand, dass die Gemeinde zu Schaden kommen könnte. Es war eine Pendenz, die man früher hätte erledigen können. Bezüglich Sitzungsgelder ging ich aufgrund von Reglementen immer davon aus, dass die Sitzungsgelder mir gehören. Diesbezüglich machte das Bundesgericht einige Wertungen, zentral ist aber, dass es festhielt: Von Betrug kann keine Rede sein.
Es ging im ganzen Verfahren ja darum, dass Sie sich zu hohe Pensionskassenbeiträge auszahlen liessen und Sitzungsgelder in die eigene Tasche gesteckt haben, die Sie eigentlich der Gemeinde hätten abliefern sollen. Im Rückblick: Würden Sie in diesen beiden Punkten etwas anders machen?
Bezüglich Pensionskassengelder muss ich vorausschicken, dass die Problematik entstanden ist, weil das Salär des Gemeindeammanns im Einwohnerrat gekürzt wurde. Das ist zuvor noch nie geschehen, dass jemandem, der für die Gemeinde arbeitet, das Salär gekürzt wird. Ich wusste, dass es möglich ist auch das alte Salär versichert zu lassen. Selbstverständlich habe ich auch die höheren Arbeitnehmerbeiträge bezahlt, es ging also lediglich um die Differenz der Arbeitgeberbeiträge, das war noch nicht geregelt. Das würde ich heute anders machen und sagen, man solle alles durchbelasten. Und dann würde ich die ganze Geschichte mit der Salärkürzung nochmals in den Gemeinderat bringen, das habe ich nicht gemacht, das war eine Pendenz.
Es gab dann bald einmal Druck in der Gemeinde, dass Sie das Gemeindehaus nicht mehr betreten sollen. Sie sollten nicht mehr ins Büro können, auch weil es die Befürchtung gab, sie könnten allfällige Beweismittel verändern. Kamen ihnen da keine Zweifel, dass sie zu weit gegangen sind?
Den Schlüssel für das Gemeindehaus habe ich von mir aus deponiert. Es ist klar, dass ich keinen Grund habe ins Gemeindehaus zu gehen, wenn ich nicht dort arbeite, ausser wie jeder andere Bürger. Aber was hier zur Diskussion stand, nahm eine Entwicklung, die jenseits aller vernünftigen Dimensionen lag. Diese Pendenz nahm man genüsslich auf, um mich politisch zu bekämpfen.
Die ganze Geschichte generierte dann sehr viel Aufmerksamkeit, weit über die Grenzen von Wohlen hinaus. Wohlen ist nicht sehr gross. Gab es Tage, an denen Sie gar nicht mehr nach draussen wollten oder sogar aus Wohlen wegziehen wollten?
Das war für mich eine spannende Situation nach der Suspendierung. Wie funktioniert das, wie ertrage ich das? Dazu muss ich sagen: Ich habe ein gutes Umfeld von der Familie, eine starke Frau. Ich habe auch gute Freunde, aus denen ich quasi meinen eigenen Stab gebildet habe. Ich war weiterhin öffentlich präsent draussen, zwar nicht an politischen Veranstaltungen wie einer Ortsbürgerversammlung – obwohl ich ein sehr interessierter Ortsbürger bin – aber dennoch konnte ich mich absolut gut bewegen. Ich war an FC Wohlen Spielen, ich war im Fitness und die Leute waren nett und anständig zu mir und meiner Frau.
Also jeder einzelne, keine Vorbehalte?
Sehen Sie, man sieht nicht in die Köpfe, hat aber trotzdem ein Sensorium. Wer sich in Wohlen politisch ein bisschen interessiert, kennt die Grosswetterlage, wer wie zu wem steht. Ich wurde immerhin fünf Mal vom Volk gewählt als Ammann, ich habe eine Vorgeschichte. Die Leute kennen mich. Was das Verhalten der Öffentlichkeit angeht, da war ich eigentlich sehr positiv erstaunt. Ein Wegzug aus Wohlen war für mich und die Familie nie ein Thema.
Die Aargauer Kantonsregierung hat im Verlauf der ganzen Geschichte entschieden, Sie vom Amt zu suspendieren, später hat man sie komplett des Amtes enthoben, noch bevor das ganze Verfahren juristisch abgeschlossen war. Wie fühlte sich das an für Sie?
Die Suspendierung war auf eine Art noch nachvollziehbar. Die Entlassung hat dann viele Leute negativ überrascht, nicht nur mich. Die Gemeindeammännerversammlung des Bezirks Bremgarten hat mich z.B. im Präsidium belassen. Was ich an der ganzen Sache geradezu beschämend finde ist, dass in der ganzen Untersuchungsphase des Kantons nicht mit mir gesprochen wurde. Es gab nur Papierverkehr. Ich hatte sogar noch um ein Gespräch gebeten, dass ich angehört werde, vor einem Entlassungsentscheid, das wurde verweigert. Ich habe dem Regierungsrat auch geschrieben, dass ich im Falle eines negativen Entscheides des Bundesgerichtes selber zurücktreten werde, das wurde mir nicht gewährt. Ich muss sagen, dass der Regierungsrat zuerst ein rechtskräftiges Urteil abwarten möchte und sich dann doch anders verhält, ist unverständlich. Strafrechtlich betrachtet wurde die Unschuldsvermutung aufs Gröbste verletzt.
Nun liegt der Freispruch des Bundesgerichtes vor. Werden Sie den Entscheid der Regierung noch bekämpfen oder sich wehren?
Es gibt Dinge, darüber macht man sich Gedanken. Mein Anwalt und ich machen eine Lagebeurteilung, wie wir das immer gemacht haben.
Walter Dubler, juristisch sind Sie rehabilitiert, politisch ist Ihre Karriere aber beendet. Für die anstehenden Wahlen am 24. September haben Sie sich nicht angemeldet, obwohl Sie von ihrem Freispruch überzeugt waren. Warum haben Sie sich nicht mehr angemeldet?
Ich habe fünf Mal kandidiert und wurde fünf Mal gewählt. Die Frage, ob ich wieder antrete, habe ich mehrere Male gehört nach dem Freispruch. Es war amüsant, dass verschiedene Leute mich schon fast wieder vermisst haben. Aber nein, ich habe mich nicht angemeldet.
Aus Frust?
Nein, nicht aus Frust. Es ist absolut klar, dass eine solche Geschichte, die über zwei Jahre dauert, nicht spurlos an einem vorübergeht. Die Frage hätte sich grundsätzlich gestellt, mit dem Alter und so. Ich wäre zu Beginn der neuen Amtsperiode fast 63 Jahre alt. Zudem ist es so, dass die Leute ja frei sind im Wählen. Es hat auch mit dem Verhalten zu tun. Wieder zu kandidieren hätte auch negativ interpretiert werden können: Da betrachtet sich jemand als unersetzlich oder so etwas.
Ist da doch ein bisschen die Einsicht zu spüren, dass die Vorwürfe ein «Dorfkönig» zu sein, dass Sie zu fest im Sattel sitzen, dass das doch nicht ganz falsch ist?
Nein. Ich bin ein sehr volksverbundener Mensch, ich kenne viele Leute. Es passierte viel in meiner Zeit als Ammann. Als ich angefangen habe, hatte man keinen Gemeindesaal, das Casino haben wir geschafft, die Schulraumprobleme gelöst, das Sportzentrum Niedermatten gebaut, das Strohmuseum im Park geschaffen oder auch den Sternen als Kulturort. Politik hat keine Missgunst zur Folge, wenn man lange dabei ist. Was die Haltung der Regierung betrifft, sind die negativen Beurteilungen zu mir betrüblich, auch weil zum Beispiel Regierungsrat Dr. Urs Hofmann, der mich kennt, mir schreibt ich hätte grosse Verdienste in der Gemeinde Wohlen. Aber das waren prozesstaktische Überlegungen der Regierung, falls wir das Verfahren wegen der Entlassung vor Gericht gebracht hätten. Aber man hat eigentlich alles, was man negativ zum Ausdruck bringen konnte, mir angehängt, nur damit man dann die Entlassung begründen konnte.
Walter Dubler zum Abschluss: Die ganze Kontroverse um Ihre Person hat Wohlen und den ganzen Kanton Aargau beschäftigt. Nun ist das zumindest juristisch abgeschlossen. Was bleibt aus Ihrer Sicht nun von der Sache zurück?
Was bleibt ist, man kann festhalten, dass der damalige SVP-Einwohnerrat [,der die Sache ins Rollen brachte, Anmerkung der Red.] sein Ziel erreicht hat. Bereits als die Suspendierung von der Kantonsregierung ausgesprochen wurde, hat er öffentlich gesagt, dass für ihn der Fall noch nicht erledigt ist, er wolle die Amtsenthebung. Dann ist ein enormer finanzieller Schaden entstanden für den Kanton Aargau, für die Gemeinde Wohlen und auch für mich. Wenn man schaut, dass der Gemeinderat Wohlen, in dieser Zeit seit ich weg bin, rund 330'000 Franken mehr kostet für Entschädigungen, muss man sagen, der Schaden ist gross, auch weil der Aargau in den nationalen Medien war. Der Schaden ist da für mich, für die Gemeinde Wohlen und auch für den Kanton Aargau.
(Regionaljournal Aargau Solothurn, 12.03 Uhr)