Der Fall: Ein unbekannter Mann ruft im Sommer 2016 bei einer Rentnerin in Volketswil an und gibt sich als Bekannter aus. Er beklagt sich über eine finanzielle Notlage und bittet die Frau um 31'000 Franken. Die Frau wird misstrauisch und schaltet die Polizei ein. Als ein Komplize das Geld abholen will, wird dieser von der Polizei verhaftet.
Die Prozesse: Für den versuchten Betrug und den Botengang verurteilte das Bezirksgericht Uster den heute 27-jährigen Mann zu acht Monaten Gefängnis. Ein eher hartes Urteil, denn der Mann wurde in seiner Heimat bereits wegen desselben Delikts bestraft. Der Staatsanwalt legte dennoch Berufung ein, das Urteil war ihm zu mild. Das Zürcher Obergericht verschärfte die Strafe im Juli 2017 auf zwölf Monate – in Abwesenheit des Mandanten.
Der Haken : Zu dieser Zeit ist der Mann längst ausgereist. Nachdem er die acht Monate abgesessen hatte, wurde er aus dem Gefängnis entlassen und in sein Heimatland ausgeschafft – aus Versehen, wie die Staatsanwaltschaft dem Zürcher Obergericht mitteilte.
Die Erklärung: Rebecca de Silva bestätigt den Vorfall gegenüber «Radio SRF». «Fakt ist, dass wir im Fall eines vorzeitigen Strafvollzugs nicht für den Entlassungsentscheid zuständig sind, wir dürfen ihn nicht fällen.» Sie hätten sich beim Obergericht erkundigen müssen, wie es weitergehe, räumt de Silva ein.
Die Konsequenzen: Obwohl es sich um einen Einzelfall handle, hat das Amt für Justizvollzug reagiert: Die entsprechenden Formulare seien jetzt klarer gestaltet. Und, betont de Silva: Bei wirklich schweren Verbrechen seien solche Missverständnisse nicht möglich. «Wenn es um Entlassungen oder Vollzugslockerungen geht, sind in solchen Fällen viel mehr Instanzen beteiligt.»