18'500 Anzeigen wegen häuslicher Gewalt wurden im vergangenen Jahr in der Schweiz eingereicht. Die Dunkelziffer dürfte um ein vielfaches höher liegen – auch in den Kantonen Bern und Freiburg. Deshalb spannen die beiden Kantone bei der Prävention zusammen und schicken eine zweisprachige Wanderausstellung auf Tour.
Eine nachgebaute Familienwohnung ist Schauplatz der Ausstellung «Stärker als Gewalt». Eine Fachperson führt die Jugendlichen durch die nachgestellten Zimmer. Im Kinderzimmer erfahren sie die Erzählung eines kleinen Mädchens, das von den Schlägen des Vaters erzählt. Und im Jugendzimmer können sie auf einem riesigen Handy den übergriffigen Chatverlauf eines jungen Liebespaars nachlesen. Der Junge versucht seine Freundin unter Druck zu setzen und spioniert ihr nach.
Gewalt in der Familie kann jeden und jede treffen
Häusliche Gewalt hat viele Gesichter, sagt Lis Füglister von der bernischen Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt: «Sie kann physisch, psychisch, sexuell oder ökonomisch sein.» Gewalt in der Familie ziehe sich durch alle Schichten, Nationalitäten und alle möglichen Familienkonstellationen. In der Ausstellung gehe es auch darum, den Jugendlichen aufzuzeigen, dass solches Verhalten nicht normal sei, sagt Füglister.
Wir wollen den Jugendlichen zeigen, wie sie Hilfe holen können.
Die Ausstellung solle den Jugendlichen weiter dabei helfen, zu erkennen, ob sie oder ihr Umfeld von Gewalt direkt betroffen sind. Und sie soll ihnen Handlungsmöglichkeiten aufzeigen. «Sich Hilfe zu holen ist sehr wichtig. Man kann Vertrauenspersonen, wie Freunde oder Lehrer, informieren oder direkt die Polizei einschalten», sagt Füglister.
Im Kanton Bern rückt die Polizei durchschnittlich drei Mal am Tag wegen häuslicher Gewalt aus. Im Jahr 2018 wurden über 1300 Strafanzeigen eingereicht. «Dies entspricht einer Zunahme von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr», sagt Präventions-Chef Michael Fichter. In der Hälfte der Fälle seien Kinder mitbetroffen. «Das Thema häusliche Gewalt drängt», so Fichter weiter. Im Kanton Freiburg rückte die Polizei im vergangenen Jahr rund 600 Mal wegen häuslicher Gewalt aus.
Für die Zukunft vorsorgen
Damit die Zahlen sinken, sollen die Jugendlichen durch die zweisprachige Wanderausstellung für das Thema sensibilisiert werden. «Wer in seiner Jugend oder Kindheit selber Gewalt miterlebt, nimmt dieses Muster oftmals ins Erwachsenenleben mit», sagt Lis Füglister von der bernischen Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt. Selber Gewalt anzuwenden oder diese zu akzeptieren, entspreche dann einer möglichen Handlungsoption in einer Liebesbeziehung oder im Familienleben.
Bis Ende Jahr pendelt die zweisprachige Wanderausstellung zwischen den Kantonen Bern und Freiburg und soll später auch im Kanton Wallis zu sehen sein.