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Keine 1.-Mai-Demo in Luzern «Das ist kein Rückzug der Gewerkschaften»

Während am diesjährigen ersten Mai in vielen Städten Tausende Leute am «Tag der Arbeit» demonstrieren, bleibt es in der Stadt Luzern weitgehend ruhig. Denn anstelle einer Kundgebung und einem Festzelt auf dem Kapellplatz – wie bisher – gibt es dieses Jahr bloss eine Feier im Luzerner Kulturlokal Neubad.

Martin Wyss, der Präsident des Luzerner Gewerkschaftsbunds (LGB), nimmt Stellung zu den Veränderungen.

Martin Wyss

Präsident Gewerkschaftsbund Luzern

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Wyss ist im April 2017 zum neuen Präsidenten des LGB gewählt worden. Er folgte auf den längjährigen Präsidenten Giorgio Pardini. Wyss ist ausserdem Geschäftsleiter der Gewerkschaft VPOD Luzern. Er wurde 1984 in Luzern geboren.

SRF News: Die Gewerkschaften führen also am 1. Mai in Luzern weder eine Demo, noch eine öffentliche Stand-Aktion durch. Schaffen Sie damit nicht Ihren wichtigsten und markantesten Auftritt ab?

Martin Wyss: Es gibt sehr wohl eine öffentliche Aktion – nämlich jene im Neubad. Es sind alle zu diesen Festlichkeiten eingeladen. Gegen eine Demonstration haben wir uns entschieden, weil dieses Jahr der Inhalt und die Diskussion über das Thema «Gleichstellung» im Vordergrund stehen soll.

Der Kapellplatz eignet sich nicht, Öffentlichkeit zu schaffen.

Das 1.-Mai-Fest ist also zwar weiterhin ein öffentlicher Anlass. Doch findet dieser nicht mehr traditionsgemäss auf dem Kapellplatz statt. Warum haben Sie sich entschieden, den Ort zu verlassen?

Das 1.-Mai-Fest lebt von der Bevölkerung und den Arbeiterinnen und Arbeitern – der Kapellplatz hat sich immer mehr zu einer Durchgangszone für Touristen entwickelt. Deshalb hat sich das hiesige 1.-Mai-Komitee entschieden, an einen Ort zu gehen, an dem sich spannende Gruppierungen treffen und sich junge Leute austauschen. In dem Sinn ist das ein Schritt hin zu mehr Öffentlichkeit am ersten Mai. Es ist kein Rückzug, wie das jüngst in den Medien dargestellt wurde.

Sie sagen zwar «kein Rückzug». Dennoch: Kapitulieren Sie damit nicht gegenüber Touristen und Uhren-Geschäften, die es an dem Platz gibt. Man könnte den 1. Mai ja auch dazu nutzen, Luzernerinnen und Luzerner wieder vermehrt auf diesen Platz zu locken.

Ja, könnte man. Doch unser Fokus liegt dieses Jahr auf der Diskussion. Der Kapellplatz eignet sich wirklich nicht, Öffentlichkeit zu schaffen. Wir müssen dorthin, wo sich die Leute sonst schon aufhalten. Das Neubad ist genau ein solcher Ort, wo wir Kontakte herstellen, neue Allianzen schmieden und darüber diskutieren können, wie wir das Thema Lohngleichheit vorantreiben können.

Wir sind überzeugt, dass unsere Leute es spannend finden, den 1. Mai einmal in neuem Rahmen zu feiern.

Das Neubad ist ein alternatives Kulturlokal. Kochen Sie dort nicht etwas gar fest im eigenen Saft? An diesem Ort müssen Sie kaum jemanden von Ihren Anliegen überzeugen.

Es ist sicherlich so, dass im Neubad gewisse alternative Arbeitsformen getestet werden. Das war genau eine der Überlegungen, die wir angestellt haben: Eine der grossen Herausforderungen der Zukunft ist die Digitalisierung; hier müssen auch wir Gewerkschaften gute Antworten liefern. Genau das wollen wir an einem Ort tun, an dem Leute das Thema vorantreiben.

Die 1.-Mai-Feiern in der Schweiz stehen heuer unter dem Titel «Lohngleichheit. Punkt. Schluss». Das Thema liegt schon lange auf dem Tisch. Wie wollen Sie erreichen, dass sich trotzdem Leute dafür begeistern und nicht abwinken?

Wir werden am 1. Mai eine Petition lancieren an unsere beiden Ständeräte Konrad Graber und Damian Müller. Darin fordern wir endlich verbindliche Lohnkontrollen. Das ist eines der Zeichen, mit dem sich unsere Gäste konkret für Lohngleichheit in Luzern einsetzen können.

Auf Facebook beispielsweise scheint die Vorfreude auf die Luzerner Feierlichkeiten mässig gross zu sein. Etwa 30 Personen gaben bisher an, teilnehmen zu wollen. Braucht es vor diesem Hintergrund überhaupt noch solche 1.-Mai-Anlässe, die einmal im Jahr die Anliegen der Leute bündeln?

Der 1. Mai ist ein wichtiger Feiertag für die Arbeiterbewegung. Er ist eine Möglichkeit, Erreichtes zu feiern und neue Schritte zu diskutieren und präsentieren zu können. Ob Facebook-Veranstaltungshinweise ein grosser Indikator dafür sind, wie viele Leute kommen, werden wir sehen. Wir sind davon überzeugt, dass unsere Leute diesen Aufbruch befürworten und es spannend finden, den 1. Mai einmal in neuem Rahmen zu feiern. Darum blicken wir zuversichtlich auf das morgige Fest.

Das Gespräch führte Lea Schüpbach.

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