Auf der Titelseite von vier grossen bernischen Zeitungen prangte am 23. September 2015 ein roter Kleber im SP-Design. Der Text lautete: «Für wenige statt für alle. Wählt Kiener Nellen. Steuerbares Vermögen CHF 12.3 Mio, steuerbares Einkommen CHF 0.»
Anzeige wegen übler Nachrede
Der ironische Text nahm Bezug auf einen Medienbericht über Kiener Nellens Steuerausweis für das Jahr 2011. Verantwortlich für die Kleber-Aktion war die «IG für Arbeitsplätze im Berggebiet», die sich über Kiener Nellens Kampf gegen die Pauschalbesteuerung ärgerte.
Präsident der IG ist Reto Müller, ein Unternehmer aus Zweisimmen. Er machte vor Gericht keinen Hehl daraus, dass er auf die Abwahl der ungeliebten Politikerin hoffte. Dieses Ziel verfehlte er im Oktober 2015, dafür hatte er wenig später eine Anzeige Kiener Nellens am Hals.
Nicht gut fürs Image
Die Kleber-Aktion sei «höchst reputationsschädigend» gewesen, sagte die Nationalrätin am Mittwoch vor dem Regionalgericht in Bern. Bis heute leide sie unter dem Image der «Frau, die keine Steuern bezahlt». Das sei objektiv falsch, sie gehöre sogar zu den am meisten Steuern zahlenden Nationalratsmitgliedern des Kantons Bern.
Aktion sei Wahlpropaganda
Einzelrichter Sven Bratschi sah keinen Anlass für einen Schuldspruch. Den Kleber bezeichnete er als eine Form von Wahlpropaganda, die der Durchschnittsleser durchaus einzuordnen wisse. Die Ehre von Kiener Nellen werde dadurch nicht verletzt. Es werde nicht behauptet, die Politikerin zahle keine Steuern.
SP-Nationalrätin Margret Kiener Nellen zieht das Urteil des Regionalgerichts Bern weiter, sagt sie gegenüber der Nachrichtenagentur sda.