Colin Farrell, Russell Crowe, Benedict Cumberbatch: Der Starauflauf am diesjährigen Zurich Film Festival kann sich sehen lassen. Die grössten Schlagzeilen gehören aber einer Jungschauspielerin, die noch gar nie auf der Leinwand zu sehen war: Tilly Norwood.
Tilly ist eine KI-generierte Schauspielerin. Sie ist nicht die erste ihrer Art, wirkt aber verblüffend echt. Und sie hat gegenüber ihren realen Vorbildern so einige Vorteile: Sie altert nicht, verlangt keine Gagen in zweistelliger Millionenhöhe und braucht keinen Schlaf.
Wir wollen, dass Tilly die nächste Scarlett Johansson oder Natalie Portman wird.
Vorgestellt wurde Tilly an einem Industrietreffen am Rande des Filmfestivals im Dolder Grand: als Star einer fiktiven Sitcom. Insgesamt sind in dem Video 16 KI-generierte Charaktere zu sehen:
Tillys Schöpferin ist die niederländische Schauspielerin und Komikerin Eline Van der Velden, die in London eine KI-Firma führt.
An der Podiumsdiskussion in Zürich sprach die Unternehmerin davon, dass mehrere Talentagenturen Tilly unter Vertrag nehmen wollen.
Hollywood-Stars ausser sich
Bereits im Juli hatte Van der Velden dem Magazin «Broadcast International» gesagt: «Wir wollen, dass Tilly die nächste Scarlett Johansson oder Natalie Portman wird.» Auf ihrem Instagram-Kanal setzt sich Tilly schon einmal in Szene für eine Weltkarriere.
In Hollywood schrillen die Alarmglocken. Die Filmstars bangen nicht nur um ihren Job. Sie warnen auch davor, dass die KI der Anfang vom Ende des Kinos sein könnte. Denn sie raube Filmen jede Authentizität, und letztlich die Seele.
Aufrufe zu KI-Boykott
Das Magazin «Variety» zeigte der Schauspielerin Emily Blunt Aufnahmen ihrer künstlichen Konkurrentin. «Das ist KI? Meine Güte, wir sind geliefert», sagte die 42-Jährige, die zuletzt in «Fall Guy» oder «Oppenheimer» zu sehen war.
Blunt richtete einen Appell an die Filmindustrie: «Tut das nicht, hört auf, unsere menschlichen Verbindungen zu kappen.»
Whoopi Goldberg warnt davor, dass wir uns in der digitalen Welt verlieren. «Überall hört man, wie einsam sich die Menschen fühlen. KI führt nur dazu, dass unsere einzige Verbindung diejenige zu unserem Smartphone ist.»
Die Emmy-nominierte Schauspielerin Natasha Lyonne gibt sich weniger moderat. Der «Russian Doll»-Star spricht von einer «komplett gestörten und fehlgeleiteten Entwicklung. Alle, die dabei mitmachen, sollten boykottiert werden.»
Die US-Schauspielergewerkschaft SAG-AFTRA bezichtigt die Techindustrie des geistigen Diebstahls: «Wir wehren uns dagegen, dass künstliche Darsteller den Menschen ersetzen.» Tilly sei mit der Performance von zahllosen echten Schauspielerinnen und Schauspielern trainiert worden, die nicht dafür entschädigt würden.
Nur ein «Werkzeug»?
Tillys Schöpferin versucht in einem Statement zu deeskalieren: «Sie ist ein Kunstwerk und kein Ersatz für einen Menschen.» KI sei ein blosses Werkzeug, wie eine Animation oder eine Puppe.
Auf Facebook gibt sich das «Werkzeug» dagegen menschlich. Für viele allzu menschlich: «Ich mag KI-generiert sein, aber ich spüre gerade sehr reale Gefühle in mir. Ich freue mich auf das, was jetzt kommt!»