Zum Inhalt springen

Kriegsspiele an Schultheater Scharfe Kritik an «Erdogan-Propaganda»

Mit patriotischem Pathos stellen türkisch-stämmige Kinder eine historische Schlacht nach. Die Reaktionen fallen teils heftig aus.

Das Wichtigste in Kürze

  • Erdogan-Propaganda an Schweizer Schulen? Dieser Verdacht ergibt sich aus einem Bericht des «SonntagsBlicks».
  • Demnach haben türkisch-stämmige Schulkinder in der Ostschweiz eine historische Schlacht nachgespielt – mit viel patriotischem Pathos.
  • Das Ganze fand im Rahmen des Freifaches «Heimatliche Sprache und Kultur» statt.
  • Nun empören sich Kritiker: In solchen HSK-Kursen werde türkische Propaganda verbreitet.

Das Geräusch von Maschinengewehren, Kinder in Militäruniformen, die aufeinander schiessen. Ein verwackeltes Handyvideo zeigt das Schultheater von Ende März aus dem thurgauischen Uttwil.

Die türkisch-stämmigen Kinder spielten die Schlacht von Gallipoli von 1915 nach. Ein wichtiges Datum in der türkischen Geschichte: Insbesondere Präsident Erdogan feiert den Sieg damals in Gallipoli als Sieg der Türken über die europäischen Mächte.

Dass Schulkinder heute im Rahmen der Kurse für «Heimatliche Sprache und Kultur» diese Schlacht nachspielen, stösst vielen sauer auf. Etwa den Bildungsdirektoren der Ostschweizer Kantone.

Kurdische SP-Politikerin ist empört

Der St. Galler Bildungsdirektor Stefan Kölliker spricht von mangelnder Sensibilität: «Es erstaunt, dass diese Organisationen und verantwortlichen Personen so etwas vorbereitet haben und dann auch noch durchführen.»

Ich finde es tragisch, dass die Kinder für die Inszenierung solcher Schlachten instrumentalisiert werden.
Autor: Edibe Gölgeli Basler Kantonsparlamentarierin (SP)

Auch Edibe Gölgeli ist empört. Die Kurdin verfolgt seit Jahren genau, wie die türkische Regierung versucht Einfluss zu nehmen, und wehrt sich als SP-Politikerin im Basler Kantonsparlament mit politischen Vorstössen dagegen.

Sie findet die Bilder «schockierend»: Es sei tragisch, dass die Kinder für die Inszenierung solcher Schlachten instrumentalisiert würden: «Das dürfte und sollte hier in der Schweiz nicht passieren.»

Gemeinde hat Aufführung bewilligt

Gemach, gemach, sagt eine andere SP-Politikerin: Aliye Gül sass früher im Thurgauer Kantonsparlament und ist heute die Gemeindeschreiberin von Uttwil. Die Gemeinde habe die Aufführung zu Recht bewilligt, findet Gül: «Ich wehre die Vorwürfe vehement ab. Es war weder Politik noch Religion im Spiel.» Aus ihrer Sicht wurde beim Theater lediglich ein historisches Ereignis nachgespielt.

Die Meinungen sind also gespalten – und die Kurse für «Heimatliche Sprache und Kultur» – kurz HSK – sind umstritten. Zehntausende von Kindern besuchen in der Schweiz solche Kurse, die in 40 Sprachen angeboten werden. Sie sind allerdings nicht Teil des offiziellen Lehrplans, sondern freiwillig für fremdsprachige Kinder.

So lange genau geschaut wird, was die Kurse beinhalten, sehe ich keine Probleme.
Autor: Silvia Steiner Präsidentin der EDK

Die Lehrkräfte sind auch keine Schweizer Lehrer, sondern Eltern oder sie werden von den Botschaften der entsprechenden Länder gestellt. Dennoch müssen die HSK-Kurse gemäss den Richtlinien der Erziehungsdirektorenkonferenz EDK «religiös und politisch neutral» sein.

EDK-Präsidentin Silvia Steiner sieht die Kurse denn auch grundsätzlich positiv: «Ich glaube, dass die meisten Kantone klare Vorgaben machen, wie diese Kurse inhaltlich zu gestalten sind.» So lange genau geschaut werde, was die Kurse beinhalten, sieht Steiner keine Probleme.

Erziehungsdirektorenkonferenz will handeln

Edibe Gölgeli ist kritischer: Das Problem sei, dass die Lehrkräfte für die HSK-Kurse häufig aus dem Ausland kämen. «Wir sollten bereit sein etwas zu investieren, dass wir die jeweilige Lehrkraft hier ausbilden und einstellen und sie nicht aus fremden Ländern kommt.»

Damit wären die Kurse für «Heimatliche Sprache und Kultur» weniger anfällig für Propaganda, ist Gögeli überzeugt. Auch die Erziehungsdirektorenkonferenz will handeln – und die Richtlinien für die HSK-Kurse an der nächsten Sitzung neu besprechen.

Meistgelesene Artikel