Mit grossem Stolz zeigt Caroline Mas ihre Bilder. Jene aus der Kunsttherapie während ihres stationären Aufenthalts in der psychiatrischen Universitätsklinik in Bern. Aber auch jene, die sie danach gemalt hat, in der Kunstwerkstatt Waldau. «Ich falle aus dem Rahmen», sagt sie. Das sei es, was eine Künstlerin ausmache.
Gegen den Perfektionismus
Nach einem schweren Unfall kam die heute 53-Jährige in die Klinik. Ihren Job als Managerin bei einer Berner Pharmafirma musste sie aufgeben. In die Maltherapie ging sie nur widerwillig.
Bis zu dem Moment als sie begriff: «Auf Papier kann mir nichts passieren. Auf Papier ist es unwichtig, wie etwas aussieht. Auf Papier bin ich frei.» Sie habe durch das Malen ihren Perfektionismus überwinden können. Und sie habe ihr Inneres auf das Papier bringen können und sich so selber kennengelernt.
Für die Fachleute ist das eines der grossen Ziele der Kunsttherapie: das Innere, das Bedrückende nach aussen bringen.
Rolf Ineichen, Direktor des Psychiatriezentrums Münsingen (PZM): «So ist es nicht mehr ein grosser Klotz im Bauch oder in der Brust. Es ist etwas Blaues auf Papier. Oder etwas Rundes aus der Töpferei. Und damit begreifbar und veränderbar.»
Ist das jetzt Kunst?
In der Therapie gehe es nicht darum, dass die Patientinnen und Patienten Kunst produzieren würden, sagt Ineichen. Aber es gebe durchaus Fälle, wo das Resultat einer Kunsttherapie so hervorragend sei, dass man es als Kunst ansehen könne. In solchen Fällen kauft das PZM den Menschen die Werke ab und nimmt sie in die hauseigene Sammlung auf.
Nur sind es nicht per se Kunstexpertinnen und Kunstexperten, die eine solche Entscheidung in einer Therapiesituation treffen.
Eine Ausstellung mit Werken von psychisch Kranken soll nicht als Kunstbasar wahrgenommen werden.
Deshalb, meint die Kunsthistorikerin Katrin Luchsinger, sei es sinnvoll, wenn bei der Ausstellung solcher Werke Expertinnen und Experten Unterstützung geben: «Wie zeige ich das? Wie rahme ich ein Bild? Wie sind die Preise? Die Menschen reagieren auf solche Dinge.» Eine solche Ausstellung solle ja nicht als Kunstbasar wahrgenommen werden, wo die Leute aus Mitleid kaufen würden.
Eine aussergewöhnliche Schau
Das gilt auch für die Ausstellung im Kunstmuseum Thun, die bis Mitte Mai zu sehen sein wird. Die Sammlung umfasst Werke aus psychiatrischen Kliniken um das Jahr 1900. Katrin Luchsinger ist mitverantwortlich für das Projekt. «Extraordinaire» heisst die Schau. Aussergewöhnlich sei diese tatsächlich, sagt Luchsinger: «Leute, die in einer Anstalt, in einer so besonderen Situation leben mussten, die hatten auch wirklich etwas zu sagen, auf ganz verschiedene Art und Weise.»
Zwar seien psychisch Kranke nicht grundsätzlich die kreativeren Menschen, aber: «Ein Klinikaufenthalt kann wie eine schwere Krankheit ein Auslöser sein, sich mitteilen zu wollen, um die gemachten Erfahrungen zu teilen.»
Das gilt auch für Caroline Mas. Es sei wichtig, den Menschen die Bedeutung von Kunsttherapie näher zu bringen: «Mein Kopf funktioniert nach wie vor nur halb. Aber mein Herz funktioniert voll. Und das ist Freude.»