Die Glarner haben die Möglichkeit, beim Regierungsrat Memorialsanträge einzureichen: Dies ermöglicht es jeder stimmberechtigten Einzelperson aber auch den Gemeinden und deren Behörden, Anträge einzureichen. Bedingung dafür ist, dass deren Inhalt in die Zuständigkeit der Landsgemeinde fällt. Der Antrag darf jederzeit in der Form einer allgemeinen Anregung oder eines ausgearbeiteten Entwurfs gestellt werden. Der Regierungsrat des Kantons nimmt darauf Stellung zur rechtlichen Zulässigkeit des eingereichten Memorialsantrags und übermittelt diesen innerhalb von drei Monaten dem Landrat.
Der Landrat entscheidet schliesslich final über die rechtliche Zulässigkeit von Anträgen und beschliesst, ob diese als «erheblich» eingestuft werden. Ist dies der Fall, werden sie der Landsgemeinde zum Entscheid vorgelegt. Damit ein Antrag als «erheblich» gilt, müssen mindestens 10 der insgesamt 60 Landräte zugunsten eines Antrages entscheiden. Spätestens bei der übernächsten Landsgemeinde am ersten Sonntag im Mai befindet das Glarner Stimmvolk dann über den entsprechenden Memorialsantrag. Diejenigen Anträge, welche vom Landrat als unerheblich erklärt wurden, werden am Ende des Memorials – im sogenannten «Beiwagen» – kommentarlos aufgeführt.
Zu viel Macht dem Landrat?
Die Stimmbürger des Kantons Glarus können demnach ihre eigenen Anliegen nicht ohne die Zustimmung des Landrats unmittelbar vor die Landsgemeinde bringen. Hat der Landrat dadurch zu viel Macht? Nein, meint der Politologe Hans-Peter Schaub: «Die Hürde von 10 Landrats-Stimmen ist nicht übermässig hoch». Während in anderen Kantonen bei Volksinitiativen eine bestimmte Anzahl Unterschriften gesammelt werden müsse, diene in Glarus das Kantonsparlament als «Filter». Dieser solle verhindern, dass die Landsgemeinde mit unsinnigen oder unnötigen Geschäften geflutet werde. «Vor allem aber besteht die Möglichkeit, dass für unerheblich erklärte Anträge an der Landsgemeinde im folgenden Jahr trotzdem behandelt werden»: Die Stimmbürger können während der Landsgemeinde beantragen, dass vom Landrat für unerheblich erklärte Memorialsanträge an der Landsgemeinde im folgenden Jahr behandelt werden.
In den letzten 100 Jahren waren solche Anträge jedoch nie erfolgreich. Es ist den Initianten nie gelungen, die Landsgemeinde davon zu überzeugen, dass ein Geschäft aus dem «Beiwagen» geholt und ihr im nächsten Jahr zur Abstimmung vorgelegt werden soll.
An der Landsgemeinde vom 5. Mai entscheidet das Glarner Stimmvolk über zwei Memorialsanträge: Der Antrag «Mietrechtsverfahren kostenlos» wurde vom Glarner Mieterverband eingereicht. Er fordert, dass in Mietrechtsverfahren vor Gericht von den Parteien keine Prozesskosten mehr bezahlt werden müssen. Sowohl die Kantonsregierung als auch der Landrat empfiehlt den Antrag abzulehnen. Ausserdem reichte die SVP des Kantons Glarus am 16. Juni 2011 den Memorialsantrag «Mundart im Kindergarten» ein. Die Partei will damit erreichen, dass im Kindergarten grundsätzlich Mundart gesprochen wird. Der Landrat empfiehlt der Landsgemeinde, auch diesen Antrag abzulehnen.