Es ist morgens kurz nach acht. Die Kühe und Jungtiere im Stall von Thomas Roffler fressen Heu. Erst letzte Woche konnte der Landwirt die Herde auf die Weide lassen. «Die Vegetation ist bei uns etwa zwei Wochen im Hintertreffen. Doch jetzt, durch die höheren Temperaturen, hat das Gras angefangen zu wachsen und die Tiere dürfen nun auch auf die Weide.»
Der Hof der Familie Roffler liegt im Prättigau auf 850 Metern über Meer. In einem normalen Jahr würden die 50 Tiere nächste Woche auf die Alp auf 1600 Meter wechseln. Doch wegen des vielen Schnees verzögert sich der Alpaufzug um bis zu zwei Wochen. «Wir rechnen damit, dass wir zwischen dem 20. und 25. Juni auf die Alp gehen. Bis dann braucht es sicher noch einiges an Heu.» Heu statt frisches Gras: Roffler rechnet mit einer Einbusse von bis zu 2500 Franken dieses Jahr.
Über dem Stall befindet sich der Heustock. Der vier Meter hohe Raum ist leer bis auf einige Ballen gekauftes Heu. Wegen des trockenen Sommers 2018 fiel die eigene Heuernte kleiner aus. Die Bauernfamilie Roffler musste zukaufen.
Frühlingstage sind sicher die wichtigsten in der Produktion. Das kann man im Herbst nicht mehr gut aufholen.
Zuerst ein trockener Sommer, dann viel Schnee, das sei Berufsrisiko, kommentiert der Landwirt, der auch Bündner Bauernpräsident ist. Im Vergleich zum vergangenen Jahr verspäte sich der Alpaufzug auf die höhergelegenen Alpen um fünf bis zehn Tage, sagt auch Töni Gujan.
Er arbeitet bei der Fachstelle Alpwirtschaft beim Kanton, angesiedelt beim Plantahof. Für die Konsumenten könnte der Alpkäse teurer werden.
«Frühlingstage sind sicher die wichtigsten in der Produktion. Das kann man im Herbst nicht mehr gut aufholen», sagt Gujan. «Wir gehen davon aus, dass es dieses Jahr etwas weniger Milch gibt und dadurch weniger Alpkäse.»
Schneeschmelze sorgt für saftige Wiesen
Auch die Bergkantone Bern und Wallis rechnen mit einem späteren Alpaufzug.
Aber, sagt der Bündner Alpberater auch, spätere Alpaufzüge habe es in den letzten 30 bis 40 Jahren immer wieder gegeben. «In den letzten Jahren wurde man verwöhnt, weil man sehr früh auf die Alp gehen konnte.»
Die grossen Schneemengen könnten aber auch Vorteile haben, so Gujan weiter. Denn die Schneeschmelze sorgt für saftige Wiesen. Damit es einen guten Alpsommer gibt, muss es jedoch auch im Sommer immer wieder einmal regnen. Bauer Roffler sagt deshalb: «Ich wünsche mir einen Sommer ohne Extremereignis; einen, in dem Regen und Sonnenschein im Einklang sind.»