«Mehr als wohnen» heisst die Genossenschaft, die das Zürcher Hunzikerareal überbaut hat und jetzt betreibt. Und dieser Name ist Programm: «Wir wollten keine Wohnsiedlung, wir wollten ein neues Stadtquartier bauen, in dem gelebt und auch gearbeitet wird», sagt Genossenschaftspräsident Peter Schmid.
Das Hunzikerareal beherbergte einst eine Betonfabrik. Es befindet sich in einem Gebiet, das von Bürogebäuden, Industriebetrieben und Autohändlern geprägt ist. Die 13 Bauten des Areals heben sich schon rein optisch von dieser Umgebung ab.
Die Gebäude sind konsequent in drei Teile gegliedert: ein hohes Erdgeschoss mit einer möglichst öffentlichen Nutzung, einen Wohnteil in den oberen Geschossen und einen erkennbaren Dachabschluss. «Diese Struktur kennt man aus alten Städten wie Zürich oder Bern», sagt Peter Schmid. Ebenso die repräsentativen Fassaden gegenüber dem zentralen Hunzikerplatz.
Die dreiteilige Gebäudestruktur und die repräsentativen Fassaden sind zwei von sechs Regeln , die sich die Planer und Architekten gegeben haben. Eine weitere ist, dass die Häuser direkt an die Strassen und Plätze gebaut werden, damit sich Leben zwischen Erdgeschossen und öffentlichem Raum abspielen kann.
Gute Architektur und Planung allein machen noch kein lebendiges Stadtquartier.
In der Höhe haben die Gebäude Aussparungen und Einschnitte. «Die Baukörper sind so gesetzt, dass man von jeder Wohnung in die Weite sieht», sagt Schmid. Für den Bau wurden ein Planungsbüro, vier Architekturbüros und ein Landschaftsarchitekt in einem Wettbewerb auserkoren. So sind aufgrund gemeinsamer Regeln unterschiedliche Gebäude entstanden.
Es brauche allerdings Koordination und gemeinsame Projekte der Bewohnerinnen und Bewohner, sagt Peter Schmid. «Gute Architektur und Planung allein machen noch kein lebendiges Stadtquartier.» Das Areal hat zum Beispiel Allmendräume, die gemeinsam genutzt werden können.
«Haben fünf Personen eine Idee, können sie sich zusammentun und an die Allmendkommission gelangen», sagt Schmid. Es gibt 30 Quartiergruppen, die eine Quartierwerkstatt, einen Coworking Space, eine Sauna oder eine Galerie betreiben. Die Räume sind kostenlos, es sei denn, man nutze sie privat für Feste oder sonstige Anlässe.
Auch die Nutzung der Erdgeschosse regelt sich in Zeiten von Shoppingcentern und Internethandel nicht von selbst, es entstehen nicht einfach kleine Lädeli, wie man das aus alten Zeiten kennt. «Wir haben Nutzungen und Nutzer suchen müssen, kommen zum Teil bei den Mieten entgegen und können keinen Profit aus den Erdgeschossen ziehen», sagt Schmid.
Aus der Erdgeschossnutzung ziehen wir keinen Profit.
Der Genossenschaftspräsident spricht von einer Investition, die dem ganzen Quartier dient. Nebst den Gemeinschaftsräumen, Velostationen und Waschsalons gibt es Restaurants, eine Bäckerei, einen Buchverlag oder ein Nailstudio in Erdgeschossräumen.
Wichtig sei schliesslich, dass das Quartier autofrei sei, sagt Schmid. Die Strassen, Gässchen, Plätze sollen von Fussgängern und spielenden Kindern bevölkert werden, nicht von Autos. Für die 1200 Bewohnenden des Quartiers gibt es in der Tiefgarage gerade einmal 50 Parkplätze. Einen Parkplatz bekommt nur, wer beruflich oder aufgrund einer Behinderung darauf angewiesen ist.
Das kann zu Problemen gerade bei erfolgreichen Restaurants führen. Im Hunzikerareal ist ein derzeit angesagtes Kebab-Restaurant von Zürich. Damit dessen Kunden nicht alles zuparkten, musste die Genossenschaft Poller einrichten. «Wir lernen immer wieder dazu», sagt Präsident Peter Schmid.
Lebendige Stadtquartiere bauen, das ist auch das Ziel des Wettbewerbs zur Überbauung des Viererfelds in der Stadt Bern. «Am Hunzikerareal können wir uns in verschiedenen Hinsichten orientieren», sagt Mark Werren, Stadtplaner von Bern.
Die Frage, wie man heutzutage ein lebenswertes Quartier baue, die dialogischen Verfahren mit den künftigen Bewohnerinnen und Bewohnern, die Zusammenarbeit der Stadt mit einer Genossenschaft, das sei alles sehr interessant für Bern, sagt Werren.
Allerdings sei das Viererfeld mit seinen künftig rund 3000 Bewohnenden grösser als das Hunzikerareal und habe insgesamt bessere Voraussetzungen, da Lage und Nachbarschaft attraktiver sei. «Wir haben mit der Länggasse und den angrenzenden Quartieren eine Nachbarschaft, die bereits lebt.»
Dass auf dem Viererfeld nur die Hälfte von gemeinnützigen Bauträgern bebaut werden soll, ist für Werren kein Nachteil. «Die Grösse des Viererfelds braucht eine Durchmischung», sagt der Berner Stadtplaner. Ausserdem werde man künftigen Investoren natürlich Auflagen machen.
Gleich sei beim Viererfeld wie beim Hunzikerareal der Anspruch. «Wir wollen ein Generationenprojekt mit Ausstrahlung bauen», sagt Werren. Ende Jahr sollen die Ergebnisse des Wettbewerbs vorliegen.
Die Zürcher Genossenschaft
(SRF 1, Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 6:32/17:30 Uhr)