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Linkes Nein Warum einzelne Linke die 99-Prozent-Initiative ablehnen

Juso und SP leiten den Abstimmungskampf für die Initiative ein, die auch in den eigenen Reihen umstritten ist.

99 Prozent: Diese Zahl wird vor dem nächsten Abstimmungssonntag im September noch einiges zu reden geben. Nun haben die Juso und Vertreterinnen der SP nämlich den Abstimmungskampf für ihre 99-Prozent-Initiative gestartet: Sie will reiche Personen stärker besteuern – jene, die vor allem von den Erträgen ihres Vermögens leben. Die Mehreinnahmen sollen Personen mit tiefen und mittleren Einkommen zugutekommen. Eine klassisch linke Initiative also – die aber auch in den eigenen Reihen umstritten ist.

Dieser himmelschreienden Ungerechtigkeit und Ungleichheit wollen wir heute ein Ende bereiten.
Autor: Ronja Jansen Präsidentin Juso Schweiz

Immer mehr Vermögen konzentriere sich auf immer weniger Personen. Und diese würden nicht von normaler Erwerbsarbeit leben, sondern von den Erträgen ihres Vermögens: von Dividenden, Aktiengewinnen, Mieteinnahmen. Das ist die Kernbotschaft hinter der 99-Prozent-Initiative. Für die Präsidentin der Juso Schweiz, Ronja Jansen, ist daher klar: «Dieser himmelschreienden Ungerechtigkeit und Ungleichheit wollen wir heute ein Ende bereiten.»

Kapitaleinkommen sollen daher anderthalbmal so hoch besteuert werden wie Einkommen aus Erwerbsarbeit. Nur sei das nicht die Lösung gegen Ungerechtigkeit, sondern schaffe im Gegenteil neue Ungerechtigkeiten: Das sagt ein Linker – der Präsident der Reformplattform innerhalb der SP Schweiz, der Bieler Stadtpräsident Erich Fehr.

Im Widerspruch zu sozialdemokratischen Grundsätzen?

Die Reformplattform versuchte vor vier Jahren, die Mutterpartei SP Schweiz, davon abzuhalten, die Initiative zu unterstützen – vergeblich. «Die Reformplattform hat 2017 am Parteitag der SP gesagt, dass insofern eine Ungerechtigkeit mit dieser Initiative geschaffen werden könnte, als nicht alle Einkommensarten gleich besteuert werden», erklärt Fehr.

Wenn Kapitaleinkommen stärker besteuert würden als Erwerbseinkommen, sei das eben auch ungerecht. Denn getroffen würden damit zum Beispiel Inhaberinnen und Inhaber von KMU: Wenn diese mehr Steuern zahlen müssten, hätten sie weniger Geld zur Verfügung, das sie in ihre Firma investieren könnten. Die Initiative widerspreche damit zentralen sozialdemokratischen Grundsätzen, so die Reformplattform. Nämlich, dass alle nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert werden und alle Einkommensarten gleich behandelt werden.

Reformplattform wird nicht aktiv

SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer widerspricht. Der Blick gut zwanzig Jahre zurück zeige: Just die Steuern auf Kapital seien zuletzt gesenkt worden. Die heutige Situation widerspreche daher sozialdemokratischen Grundsätzen: «Diejenigen, die in den vergangenen Jahren massivst entlastet wurden, müssen wieder vermehrt ihren Beitrag für unser gesellschaftliches Leben leisten, indem sie stärker besteuert werden.»

Die zusätzlichen Steuereinnahmen von rund zehn Milliarden Franken sollten dann an Personen mit mittleren und tiefen Einkommen umverteilt werden. Die SP hat die innerparteiliche Kontroverse um die 99-Prozent-Initiative längst geführt – und sich klar dafür ausgesprochen. Die Reformplattform akzeptiere das, sagt ihr Präsident, und werde sich daher im Abstimmungskampf nicht engagieren.

Echo der Zeit, 06.07.2021, 18 Uhr

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