Im Regionalgefängnis Bern trägt jede Person eine Maske: von den Insassen, sobald sie die Zelle verlassen, über die Besucherinnen und Besucher, die hinter einer Plexiglasscheibe sind, bis hin zu Direktorin Monika Kummer, die gerade aus einem Sitzungszimmer kommt. «Hier drin soll man niemanden ohne Maske sehen», sagt sie.
Zu Beginn hätten einige Insassen ihre T-Shirts zerrissen und eigene Masken gemacht, weil sie aus Italien gehört hätten, das Virus sei gefährlich. «Mit den Masken konnten wir ihnen eine gewisse Sicherheit geben.»
Einige Insassen haben zu Beginn ihre T-Shirts zerrissen und eigene Masken gemacht.
Seit der Coronakrise funktioniert das Regionalgefängnis Bern als erste Station für alle, die neu ins Gefängnis eintreten. «Da werden die Leute zuerst 10 Tage in Quarantäne genommen, sie werden genau untersucht und beobachtet und von hier geht ihre Reise dann weiter», sagt Pascal Ludin. Er leitet im Amt für Justizvollzug des Kantons Bern den Bereich Haft und Vollzug und ist Koordinator Coronavirus. «Der Einschnitt ist aber schon massiv – 23 Stunden eingesperrt zu sein und eine Stunde im Spazierhof.» Da würden jetzt Anpassungen diskutiert, so Ludin.
Am Anfang der Coronazeit habe er viel Verunsicherung gespürt, sagt Samuel Buser, Gefängnisseelsorger in den Anstalten Witzwil. «Manche ältere Gefangene fühlten sich handkehrum sicherer im Gefängnis.» Grundsätzlich habe er eine grosse Akzeptanz der Coronamassnahmen wahrgenommen. Wenn es nun Lockerungen gibt, werde sich das Leben wieder normalisieren. «Es wird wahrscheinlich in der Seelsorge lebendiger werden, wenn wieder mehr Themen von aussen kommen.»
Schrittweise Lockerungen
Anpassungen und Lockerungen werden laufend diskutiert und ausgeführt. So dürfen die Insassinnen und Insassen in den Berner Gefängnissen seit Mitte Mai wieder Besuch empfangen, wenn auch hinter einer Plexiglasscheibe. Ab dem 8. Juni werden in den Justizvollzugsanstalten wieder Urlaube möglich sein – auch diese werden Schritt für Schritt verlängert. Die massvollen, schrittweisen Lockerungen seien wichtig, sagt Pascal Ludin. «So gehen wir in allen Bereichen Schritt für Schritt zurück in die Normalität.»
Von Massnahmen profitieren
Gewisse Einschränkungen hatten jedoch auch positive Seiten. So durften die Insassen telefonieren, weil sie keinen Besuch erhalten konnten. «Das durften sie vorher nicht und jene, die ihre Angehörigen im Ausland haben und nie Besuch erhalten, konnten profitieren», sagt die Direktorin des Regionalgefängnisses Bern, Monika Kummer.
Zudem habe man versucht, die Insassen zu verteilen – möglichst nur eine Person pro Zelle. Somit hätten sie mehr Platz erhalten und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten mehr Zeit für die Insassen gehabt, sagt Kummer.
Bei einigen Insassen, die zur Risikogruppe gehören, wurde der Vollzug unterbrochen.
Alle Insassen alleine in einer Zelle unterzubringen, habe man nicht geschafft, sagt der Corona-Koordinator Pascal Ludin. Im Kanton Bern habe man nicht wie in Zürich ein neues Gefängnis in Betrieb nehmen können. Man habe aber Platz geschaffen, indem Verurteilte ihre Strafe im Gefängnis später antreten werden und bei rund 27 Insassinnen und Insassen, welche zur Risikogruppe gehören, wurde der Vollzug unterbrochen. Sie konnten nach Hause, müssen ihre Strafe später verbüssen. «Diese Personen werden nun nach und nach aufgeboten, wieder zurück ins Gefängnis zu kommen», meint Ludin.
Die befürchtete Corona-Welle in den Gefängnissen ist im Kanton Bern ausgeblieben. In den Anstalten Witzwil haben sich zwar mehrere Angestellte des Sicherheitsdienstes angesteckt. Unter den insgesamt tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern habe es insgesamt nur neun bestätigte Covid-19-Infektionen gegeben, sagt Pascal Ludin. Unter den rund tausend Insassinnen und Insassen sogar nur eine.
Ob die Massnahmen in den Gefängnissen also gar zu streng waren, werde untersucht. Dazu brauche es aber noch etwas zeitliche Distanz, meint Ludin. Er glaube aber, das Augenmass gut getroffen zu haben, zumal in Altersheimen beispielsweise strengere Besuchsregeln galten.