Die Nachricht kam vergangene Woche überraschend: Mario Gyr, Luzerner Ruderer und Olympiasieger von 2106, tritt vom Profisport zurück. Er habe im letzten Jahr gemerkt, dass sich seine Prioritäten verschoben hätten, sagt er nun im Gespräch mit SRF News. Er verspüre zwar etwas Wehmut, weil jetzt ein Lebensabschnitt zu Ende gehe - er freue sich aber auf sein neues Leben. Und darauf, auch einmal ein Gipfeli essen zu dürfen.
SRF News: Mario Gyr, während Jahren haben Sie vollen Einsatz für den Spitzensport gegeben. Haben Sie nun einen Punkt erreicht, an dem Sie sich sagten: Ich kann und will das nicht mehr leisten?
Mario Gyr: Ich glaube, ich hätte den nötigen Einsatz weiterhin leisten können. Nur gewollt habe ich es nicht mehr zu hundert Prozent. Meine Prioritäten haben sich verschoben. Wenn man im Spitzensport erfolgreich sein will, muss man ihm alles andere unterordnen. Bei der Analyse meiner Saison kam ich zum Schluss: Entweder gebe ich jetzt nochmals zwei Jahre alles für den Sport – oder ich muss es sein lassen.
Wenn man im Spitzensport erfolgreich sein will, muss man ihm alles andere unterordnen.
Wie haben Sie gemerkt, dass Sie nicht mehr alles dem Rudern unterordnen wollen?
Es sind kleine Dinge. Früher hätte ich nach dem Training abends noch eine halbe Stunde gedehnt und ich achtete stets darauf, dass ich meine neun oder zehn Stunden Schlaf hatte. Im letzten Jahr dagegen habe ich viel Energie für andere Dinge aufgewendet. Klar, ich habe trainiert, ich habe im Kraftbereich gearbeitet, im Ausdauerbereich. Aber ich merkte, dass die nötige Leidenschaft fehlt. Ich ging zwar weiterhin gerne an Wettkämpfe, aber im Training hatte ich zu beissen.
Sie haben in den vergangenen Jahren sehr intensiv für den Rudersport gelebt. Haben Sie in dieser Zeit etwas vermisst?
Nein. Ich habe natürlich auf Dinge verzichtet, um etwas zu erreichen. Aber ich rede nicht gerne von Verzicht, denn das Rudern hat mir ja auch viel Freude bereitet. Natürlich, ich musste ein strenges Ernährungsprogramm einhalten. Und dass ich da jetzt mehr Freiheit habe, das geniesse ich schon. Ich muss mir nicht mehr überlegen, ob ich jetzt ein Gipfeli esse oder mir ein Glas Wein gönne.
Dann ist der Entscheid, vom Spitzensport zurückzutreten, zu einem gewissen Grad eine Befreiung?
Eine Befreiung insofern, als dass ich für mich selber geklärt habe, dass ich nun ein anderes Leben führen will. Der Rudersport hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Das war eine super Lebensschule. Jetzt geht ein Kapitel meines Lebens zu Ende – das macht einerseits wehmütig, andererseits freue ich mich auf das, was jetzt kommt.
Der Rudersport hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Das war eine super Lebensschule.
Und was ist es, was jetzt kommt?
Ich bin in zwei Start-up’s im Bereich Sportmarketing involviert. Spannende Projekte, zu denen ich viel beitragen kann, denn gerade im Bereich Sponsoringverträge habe ich in meiner Zeit als Profisportler viel gesehen. In den kommenden Wochen geht es jetzt darum herauszufinden, wohin ich genau will. Und dass ich dann einen Job finde, den ich mit der gleichen Leidenschaft ausüben kann wie ich früher gerudert habe.
Das Gespräch führte Philippe Weizenegger