Es war eine Zahl, die aufhorchen liess. In einer Umfrage unter den rund 180 Doktorierenden des Departements für Biosysteme (D-BSSE) am Basler Ableger der ETH Zürich gaben 43 Prozent der Teilnehmenden an, von ihren Professorinnen und Professoren schon einmal Machtmissbrauch erlebt zu haben. «Das hat uns damals sehr überrascht und besorgt», sagt Departementsleiter Timm Schroeder. «Vor allem auch weil wir nicht unmittelbar wussten, was die Gründe für das schlechte Ergebnis sind.»
Die Departementsleitung habe daraufhin umgehend das Gespräch mit den Doktorierenden gesucht. Das bestätigt Gotthold Fläschner, der die Interessen aller Doktorierenden an der Basler ETH vertritt. «Mich persönlich hat das Umfrageergebnis weniger erstaunt», sagt Fläschner. «Viel eher erstaunt hat mich, dass sich manche über die schlechten Werte gewundert haben.»
Mehrheitlich subtile Machtmissbräuche
Schroeder sagt, es habe am D-BSSE offensichtlich ein Problem in der Kommunikation gegeben. «Wir haben schlicht nicht wahrgenommen, dass es viele Doktoranden gibt, die sich nachteilig behandelt fühlen.» Ein Grund hierfür sei, dass es sich nicht um dramatische Vorfälle gehandelt habe - sprich nicht um körperliche oder sexuelle Übergriffe - sondern eher um subtile Formen des Machtmissbrauchs. «Mir sind Fälle bekannt, in denen Professoren von Doktoranden verlangt hatten, dass sie in einem bestimmten, engen Zeitraum etwas publizieren müssen», sagt Fälschner. «Und wenn sie das nicht geschafft haben, hat sich dies im Lohn niedergeschlagen.»
Wir haben schlicht nicht wahrgenommen, dass es viele Doktoranden gibt, die sich nachteilig behandelt fühlen.
Nachdem die Machtmissbrauchsvorwürfe letzten Mai auf den Tisch gekommen waren, hat die Leitung der ETH die Situation intern aufgearbeitet. «Die wichtigste und bereits umgesetzte Massnahme ist, dass alle Doktoranden an der ETH jetzt eigene Berater-Komitees zusammenstellen, die sie während ihres Doktorats begleiten.» Diese Komitees bestehen in der Regel aus drei internen und externen Fachpersonen. Sie sollen die Doktoranden bei Fragen und Problemen mit ihren Professoren unterstützen.
Professoren müssen in Führungskurse
Gleichzeitig hat die ETH vor, alle Professorinnen und Professoren in Personalführungskurse zu schicken. «Professoren sind in erster Linie als Wissenschaftler ausgebildet», sagt Schroeder. Ihre Hauptkompetenz sei nicht zwingend der Umgang mit Angestellten. «Ich finde solche Kurse sehr sinnvoll, auch um sich mit anderen Professoren auszutauschen und zu sehen, wie andere mit ihren Arbeitsgruppen umgehen.»
Kulturwandel gefordert
Fläschner sagt, es sei jedem ETH-Doktoranden klar, dass er sich in einem kompetitiven Umfeld befinde. «Da gehört es auch mal dazu, dass man abends länger arbeitet oder auch mal auf das Wochenende verzichtet.» Gleichwohl erhofft sich Fläschner, dass an der ETH nun ein allgemeiner Kulturwandel stattfinde, so dass man rücksichtsvoller miteinander umgehe. «Die bereits umgesetzten Massnahmen finde ich zielführend, aber ich persönlich verstehe sie nur als Fundament für die Veränderungen, der nun stattfinden soll.»
(SRF1, Regionaljournal Basel, 17:30 Uhr)