Der Mensch hat grossen Einfluss auf den Planeten – das ist schon länger klar. Was Geologen nun aber nachweisen können, ist, dass die Folgen dessen, was der Mensch tut, so tiefgreifend sind, dass sie alles miteinander verändern: also Erde, Wasser und Luft zugleich.
«Der Mensch überwältigt die Kräfte des Erdsystems», sagt Francine McCarthy von der kanadischen Brock University. Sie ist Mitglied in der sogenannten Anthropocene Working Group, einer Arbeitsgruppe von Geologinnen und Geologen und anderen Forschenden, die feststellen will, ob man das Anthropozän tatsächlich schon in der Welt der Geologie festmachen kann – also in Sedimenten, Eisbohrkernen oder Gesteinen.
Ihre Antwort lautet: ja.
Parallelen zum Anfang der Menschheit
Nur einmal in der Geschichte der Erde habe es Lebewesen gegeben, die noch grössere Veränderungen ausgelöst haben als der Mensch – und zwar Cyanobakterien. Sie waren in den frühen Jahren die ersten Lebewesen, die Fotosynthese betreiben konnten, also Sonnenlicht als Energiequelle nutzen und Sauerstoff produzieren.
Vor zwei Milliarden Jahren gab es dann so viele davon, dass der von ihnen produzierte Sauerstoff dafür sorgte, dass die Erdatmosphäre sich für immer und komplett veränderte. Der Sauerstoff war tödlich für die meisten Organismen, die damals lebten, und gleichzeitig die Voraussetzung für höheres Leben – also auch für den Menschen. Es sind solche Veränderungen, die für Geologinnen und Geologen als Beginn einer neuen Ära gelten.
Die 1950er-Jahre als Wendepunkt
Referenzpunkt für den Beginn des Anthropozäns für Forschende weltweit soll mit grosser Wahrscheinlichkeit ein kleiner See in Kanada werden: der Crawford Lake in Ontario.
Der See ist sehr tief – rund 24 Meter – und er ist klein. Das Wasser unten mischt sich kaum mit dem oben. Es wird nicht aufgewühlt von Winden, und deshalb sind die Sedimentschichten am Untergrund praktisch ungestört, erklärt Francine McCarthy.
«Die Sedimente lagern sich Jahr für Jahr ab, und wegen einer chemischen Besonderheit bilden sich im Sommer dünne, weisse Schichten aus Kalk im Sediment. Die Schichten in diesem See sind darum fast wie Baumringe eines Baumes. Man kann sie also zählen.»
McCarthy und ihre Kollegen fanden in den Schichten, die aus den 1950er-Jahren stammen, Flugasche aus der Verbrennung von Öl und Kohle. Damit ging eine veränderte Stickstoffzusammensetzung einher. Zu jener Zeit wurde nämlich immer mehr Stickstoff für Kunstdünger der Atmosphäre entzogen.
Forschungsergebnisse sollen «Weckruf» sein
Im Crawford Lake zeigt sich die Spur menschlichen Handelns also exemplarisch. Die Forschenden konnten zeigen, dass das, was dort gilt, auch global gilt: Der Mensch verändert das System Erde grundlegend. McCarthy und ihre Kolleginnen und Kollegen wollen, dass ihre Arbeiten ein Weckruf sind. Ihre Resultate bedeuten ihnen zufolge auch, dass der Mensch die Konsequenzen seiner Anwesenheit selbst in der Hand hat – wodurch er sich dann doch von den Cyanobakterien unterscheidet.
Um als allgemeingültiger Standard zu gelten, müssen noch drei übergeordnete Gremien über den Vorschlag der Anthropocene Working Group abstimmen. Eine Entscheidung könnte es bis August nächsten Jahres geben.