Zum Inhalt springen

Nach dem Stadtbrand 1464 Chur, eine Stadt im Aufbruch

Das Bündner Staatsarchiv publiziert erstmals Dokumente aus dem 15. Jahrhundert, als sich Chur vom Bischof emanzipierte.

Der grosse Stadtbrand 1464 zerstörte in Chur das Rathaus und mit ihm viele Dokumente. Die noch existierenden Unterlagen hat Historiker Thomas Bruggmann in den vergangenen zwei Jahren gesichtet, entziffert und in gedruckte Form gebracht.

SRF News: Thomas Bruggmann, was macht diese Dokumente so interessant?

Der Autor

Box aufklappen Box zuklappen

Thomas Bruggmann ist Historiker. Seit 2013 ist der 33-Jährige beim Projekt Bündner Urkundenbuch des Staatsarchivs Graubünden beschäftigt.

Ein wichtiger Punkt ist das Alter der Dokumente. Sie geben einen schönen Einblick ins Mittelalter und wurden bisher noch nie veröffentlicht. In dieser Gesamtheit hatte bisher niemand Einsicht in diese Quellen.

Gibt es ein Dokument, das heraussticht?

Besonders spannend finde ich die alten Abrechnungen der Bürgermeister. Sie stammen noch aus der Zeit vor dem Stadtbrand und zeigen, wie damals die Verwaltung der Stadt Chur aufgebaut war.

Was für eine Stadt war Chur im 15. Jahrhundert?

Es war eine ländliche Stadt mit etwa 2500 Einwohnern auf dem Gebiet der heutigen Altstadt. Und auch dieses Gebiet war nicht komplett überbaut. Der heutige Karlihof oder die untere Poststrasse waren stark landwirtschaftlich geprägt.

Die Quellen zeigen nicht die Geschichte der grossen Ereignisse und grossen Kriege, es ist vor allem der Alltag.
Autor: Thomas Bruggmann Historiker

Der Buchtitel spricht das «wachsende Selbstbewusstsein» an. Was ist damit gemeint?

Damals wuchs das Selbstbewussstein bei der Bürgerschaft. Sie hatten mehr wirtschaftliche Macht und wollten mehr politische Macht - die damals dem Bischof gehörte. Das Verhältnis zwischen den Churer Bürgern und dem Bischof war kompliziert, bereits im frühen 15. Jahrhundert stürmten die Bürger den Hof, jedoch ohne längerfristige Auswirkungen.

Deutlich grössere Auswirkungen hatte der Stadtbrand von 1464. Weil damals im Rathaus viele Dokumente verbrannten, mussten die Churer diese beim Kaiser Friedrich III. neu organisieren. Der Kaiser bestätigte die alten Rechte und erlaubte den Churern gleichzeitig, eine Zunftverfassung zu erstellen. Diese Verfassung hielt das politische und gesellschaftliche Leben der Stadt Chur fest und galt bis 1840.

Sie arbeiten sonst für das Bündner Urkundenbuch, ein ähnliches Projekt, das auch handschriftliche Quellen in Buchform zugänglich macht. Was fasziniert Sie an dieser Arbeit?

Diese Quellen geben Einblick in die Vergangenheit. Es ist nicht die Geschichte der grossen Ereignisse und grossen Kriege, es ist vor allem der Alltag: Was für Geschäfte beispielsweise tätigten die Leute oder wie sah die Gegend überhaupt aus.

Ihr Buch ermöglicht nun Historikerinnen und Historikern, einfach und in gedruckter Form auf die existierenden Churer Dokumente aus dem 15. Jahrhundert zuzugreifen. Was würden Sie genauer anschauen?

Erforschen liesse sich, wie sich damals die Churer Stadtverwaltung entwickelte. Am Anfang gab es einen Bürgermeister, den Kleinen und Grossen Rat, doch mit der Zeit kamen immer mehr Beamte hinzu und die verschiedenen Aufgaben wurden feiner aufgefächert. In dieser Zeit kann man beobachten, wie die Stadtverwaltung besser und präziser wurde und immer mehr in schriftlicher Form festhielt.

Thomas Bruggmann: «Wachsendes Selbstbewusstsein und zunehmende Verschriftlichung - Churer Quellen des 15. Jahrhunderts». Herausgegeben vom Staatsarchiv Graubünden, Chur 2017.

SRF1, Regionaljournal Graubünden, 17:30 Uhr; habs

Meistgelesene Artikel