Ein Schreckmoment: «Das Wasser kam aus allen Himmelsrichtungen und hörte nicht auf», erinnert sich Irma Jordi. Sie ist die Leiterin des Altersheims Blumenheim in Zofingen und erlebte vor einem Jahr am 8. Juli 2017, wie die starken Regengüsse die Stadt und das Altersheim heimsuchten. Bewohner und Mitarbeiter konnten sich rechtzeitig in den 1. Stock retten, «glücklicherweise war niemand von uns im Untergeschoss - das hätte sonst wohl Todesfälle gegeben», so Jordi.
Schäden wegen Jahrhundertereignis: Alleine am Altersheim entstanden damals Schäden von 1,3 Millionen Franken. Total gab es gut 1000 Schadensmeldungen, mit einem Gesamtschaden von 90 Millionen Franken, heisst es beim Bundesamt für Umwelt (Bafu). Schuld war dabei nicht in erster Linie der Fluss Wigger, der über die Ufer trat. Vielmehr konnte das viele Wasser nicht mehr im Boden versickern. Der sogenannte Oberflächenabfluss fand nicht mehr statt. Die Folge: Überschwemmungen, mit welchen Zofingen nicht gerechnet hatte.
Karte soll helfen: Um sich künftig gegen solche Überschwemmungen wappnen zu können, hat das Bafu reagiert. Mit Projektpartnern wie dem Schweizerischen Versicherungsverband und der Vereinigung Kantonaler Gebäudeversicherungen ist eine Karte entstanden. Die «Gefährdungskarte Oberflächenabfluss» soll zeigen, wo bei starken Niederschlägen Situationen wie in Zofingen entstehen können. Die Karte wurde am 3. Juli an einer Fachtagung vorgestellt.
Brennpunkte kennen: Diese Karte wird Schäden künftig nicht verhindern, sie helfe aber bestimmt den Feuerwehren. Das sagt Reto Graber, Ausbildungschef beim Schweizerischen Feuerwehrverband. Feuerwehrleute seien dank der Karte besser sensibilisiert auf ihr Einsatzgebiet: «Wo sind Problemquartiere? Habe ich Objekte mit spezieller Gefährdung wie Spitäler oder Altersheime? Dank der Karte weiss ich, wo Brennpunkte sind und ich allenfalls Prioritäten setzen muss», so Graber.
Nutzen für alle: Auch die Stadt Zofingen ist froh um die Gefährdungskarte. «Sie zeigt uns kritische Infrastrukturen auf und sagt uns, wo wir zusätzliche Schutzmassnahmen mit einfachen Mitteln ergreifen können», sagt Stadtrat Andreas Rüegger. Die Stadt gebe für solche Massnahmen jährlich rund eine halbe Million Franken aus. Die Karte bringe aber auch Privatpersonen etwas, so Rüegger: Sie erkennen, ob beispielsweise ihr Einfamilienhaus an kritischer Lage steht und können mit den Versicherungen günstige Lösungen finden.
Blick in die Zukunft: Während die Fachleute zuversichtlich sind, bleibt die Zofinger Altersheimleiterin Irma Jordi vorsichtig. Ob die Karte in Zofingen so viel helfen kann, da ist sie kritisch. Man habe in früheren Jahren zu viel Fläche verbaut. «Orte, auf denen früher bei viel Regen Tümpel entstanden, solche Flächen wurden in den letzten Jahren oder Jahrzehnten zugebaut», so Jordi, die als Politikerin auch im Zofinger Einwohner sitzt. Das könne man nicht mehr rückgängig machen. Und somit müsse Zofingen wohl damit leben, dass solche Überschwemmungen wiederkehren können.