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Natur gegen CO2 Wie aus dem Märimoos in Niederwil (AG) wieder ein Moor wird

Das Märimoos in Niederwil, auf dem Hohbüel zwischen dem Reusstal und dem Bünztal. Der Hof ist 6.3 Hektaren gross.

Das Märimoos wird langsam wieder zum Feuchtgebiet.
Legende: SRF

Bis vor zehn Jahren wurde hier konventionelle Landwirtschaft betrieben. Vor allem Futtermais wurde angebaut. Schwere Traktoren fuhren über die Felder. Wenn diese abgeerntet waren, kamen die Motocross-Töffs. Auf dem Märimoos fanden 20 Jahre lang Motocross-Rennen statt. Isabella Braunwalder kann sich noch gut an den Lärm der Traktoren und der Töffs erinnern.

Isabella Baumgartner stellt ihr Pro Natura Aargau zur Verfügung.
Legende: SRF

Braunwalder lebt seit vielen Jahren im Bauernhaus auf dem Märimoos. Früher gehörte es ihrem Vater, sie wohnte darin zur Miete. Vor zehn Jahren konnte sie den Hof dann selber kaufen. Bis zu diesem Zeitpunkt war das Land an einen Bauern verpachtet. Isabella Braunwalder: «Es tat mir richtig weh zuzuschauen, wie der Boden kaputt ging, wie er verdichtet wurde, wie er ausgelaugt war. Ich dachte mir, ich mache etwas ganz, ganz anderes, wenn der Boden mal mir gehört.»

Seit 10 Jahren gehört der Hof nun Isabella Braunwalder. Und sie hat tatsächlich etwas «ganz anderes» daraus gemacht. Nämlich eine völlig neue Art von Bewirtschaftung. Dies mit Hilfe der Umweltorganisation Pro Natura Aargau, die das Land seit 10 Jahren von Braunwalder pachtet.

Johannes Jenny, Geschäftsführer von Pro Natura Aargau, weiss viel über das Märimoos.

Pro Natura Aargau will weitere Gebiete vernässen.
Legende: SRF

Bis in die 1930er-Jahre war das Märimoos ein Feuchtgebiet, ein Moor. Dann legte man es trocken. Man zog tiefe Gräben ins nasse Land und legte dort Röhren ein. Diese haben oben kleine Löcher. Das Wasser aus dem Moor tropft in die Drainage-Röhren und fliesst weg. So trocknet das Moor nach und nach aus, und es verwandelt sich in Ackerland.

Doch dieser Prozess, so Johannes Jenny, sei sehr schädlich für die Umwelt. Das Torf baue sich durch das Trocknen ab. Dadurch werde sehr viel CO2 freigesetzt, 30 Tonnen pro Hektar und Jahr. Und durch das Befahren mit den Traktoren werde das Land so verdichtet, dass es die Fruchtbarkeit verliere.

Seit zehn Jahren sei man nun daran, den Prozess umzukehren, das Märimoos solle wieder zu einem Moor werden. Dadurch werde der Atmosphäre wieder CO2 entzogen, so Jenny. «Immer mehr organisches Material kommt in den Boden. Dadurch wird CO2 gebunden.»

Wie man ein Moor trocken legt

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In dern 1930er-Jahren wurde das Märimoos trocken gelegt. Der gleiche Prozess fand in vielen Feuchtgebieten der Schweiz statt. In den nassen Boden wird eine grosse Hauptleitung gelegt. Von dieser gehen seitlich viele kleinere Leitungen weg. Diese waren damals aus Ton und hatten auf der oberen Seite Löcher. In diese Löcher fliesst das Wasser aus dem Moor. Es wird in der Hauptleitung gesammelt und abgeleitet.

Heute funktioniert das Drainage-System im Märimoos nicht mehr richtig. Viele Rohre sind verstopft oder beschädigt. Der Boden hat sich durch die Entwässerung stark abgesenkt. Dadurch kamen die Rohre in den Bereich der Pflüge und wurden durch diese teilweise zerstört. Deshalb findet nun eine Wiedervernässung statt, ohne dass Pro Natura aktiv Massnahmen ergreifen muss. Die Leitungen werden also nicht ausgegraben. Das dürfte Pro Natura auch gar nicht tun, denn das Drainage-System gehört der Gemeinde.

Das Land wird vernässt, und man könnte es in ein Naturschutzgebiet verwandeln. Das ist aber nicht die Absicht von Pro Natura Aargau. Die Organisation will auf dem Märimoos weiterhin Landwirtschaft betreiben, aber nicht konventionelle, sondern eine Landwirtschaft, die dem Feuchtgebiet angepasst sei, betont Johannes Jenny. Auf dem Land weiden nun Tiere, die Feuchtigkeit lieben, nämlich Wasserbüffel.

Wasserbüffel sind an das Leben auf feuchtem Grünland angepasst.
Legende: SRF

Die Tiere liefern Fleisch und Milch. Und sie suhlen sich gern in den Tümpeln, die man extra für sie angelegt hat.

Die Wasserbüffel suhlen sich in diesem Tümpel und schaffen dadurch ein Biotop für den Laubfrosch.
Legende: SRF

Isabella Braunwalder schaut den Tieren gern zu. «Sie legen sich tief ins Wasser. Sie wollen sich abkühlen. Aber sie kommen auch lehmverkrustet wieder heraus. Sie sehen aus wie Elefanten. Das ist gut für ihre Haut. Es schützt sie vor stechenden Insekten.»

Die Wasserbüffel stehen für die extensive Landwirtschaft, die auf dem Märimoos betrieben wird. Und trotz oder eben gerade wegen dieser Art von Landwirtschaft hat sich auf dem Land eine sehr seltene Tierart angesiedelt, nämlich der Laubfrosch.

Ein Laubfrosch auf einer Pflanze, aufgenommen im Reusstal, aber nicht im Märimoos.
Legende: Keystone

Im Reusstal war er praktisch ausgestorben. Dank diverser Renaturierungsmassnahmen hat sich die Population aber erholt. Auf dem Märimoos sind wegen der Wassertümpel der Büffel die Voraussetzungen für den Laubfrosch gut. Es gibt drei Tümpel. Für die Büffel ist jeweils nur einer offen. Indem sie sich darin wälzen, halten sie die Tümpel offen.

Und weil sie alle Pflanzen abfressen, wächst das Gewässer nicht zu. So entstehen offene, flache Wassertümpel, die sich schnell erwärmen. Diese werden dann abgesperrt und sind ideale Biotope für den Laubfrosch. Er hat nur eine relativ kurze Laichzeit. Dabei ist der Laubfrosch auf sehr warmes Wasser angewiesen. Dieses findet er in den Tümpeln der Wasserbüffel.

So hört Grundbesitzerin Isabella Braunwalder heute nicht mehr Traktoren- und Töfflärm, sondern das Quaken der Laubfrösche. Diese sind sehr klein, «singen» aber in einer Lautstärke von über 90 Dezibel. Isabella Baumgartner stört das nicht: «Das ist überhaupt keine Belästigung. Ich freue mich, wenn ich sie höre. Das beginnt beim Eindunkeln so im Mai, Juni. Manchmal höre ich auch im Herbst noch einige Rufe.»

Auch Johannes Jenny von Pro Natura Aargau freut sich über den Laubfrosch. Wo dieser sei, seien auch viele andere Tierarten.

Johannes Jenny vor der Suhle für die Wasserbüffel.
Legende: SRF

Jenny möchte noch weitere ehemalige Feuchtgebiete im Aargau vernässen. So könne man Böden rekultivieren, die man später vielleicht einmal bei einer Krise wieder für intensive Landwirtschaft nutzen könne. Mache man aber weiter wie bisher, zerstöre man die ehemaligen Feuchtgebiete vollständig.

Es sei allerdings schwierig bis unmöglich für Pro Natura Aargau, solche Flächen zu kaufen. Das bäuerliche Bodenrecht stehe dem entgegen. So hofft Pro Natura auf weitere «Glücksfälle» wie jenen in Niederwil mit dem Märimoos, wo eine naturbegeisterte Besitzerin das Land zur Pacht anbot.

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