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Neubau Kantonsspital Aarau Der Aargauer Gesundheitsdirektor im Finanzierungs-Dilemma

  • Das neue Kantonsspital Aarau (KSA) kostet 724 Millionen Franken, wenn man wirklich alles einrechnet.
  • Diese Summe sei trag- und finanzierbar, das teilte die Aargauer Regierung als Eigentümerin des KSA vergangene Woche mit.
  • Wichtige Punkte im Businessplan sind aber noch offen. Es geht vor allem um die Tarife und die gemeinwirtschaftlichen Leistungen.
  • Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati (SVP) muss sich hinter den Businessplan stellen und sagt gleichzeitig, vieles sei noch spekulativ.

563 Millionen, so viel kostet das Kantonsspital Aarau, 30 Millionen weniger als ursprünglich gedacht. Diese Erfolgsmeldung verbreitet vergangene Woche der Aargauer Regierungsrat. Er ist Eigentümer des Kantonsspital, das als eigenständie Aktiengesellschaft organisiert ist.

Nicht sehr aktiv kommuniziert die Regierung aber, dass man für die 563 Millionen Franken nur das Gebäude inklusive Lüftung und Heizung bekommt. Allein die Einrichtung kostet noch einmal 60 Millionen. Jean-Pierre Gallati, Vorsteher des Departements Gesundheit und Soziales, sagt gegenüber SRF: «Wenn Sie die Kosten für die Medizintechnik und die Projektreserven einrechnen, kommen wir auf einen Gesamtbetrag von 724 Millionen Franken.»

Diese Zahl ist nicht geheim. Man findet Sie in den Unterlagen des KSA und der Regierung. Sie ist aber nicht sehr bekannt. Der durchschnittliche Aargauer ging bis jetzt davon aus, dass er für die 563 Millionen ein fertig eingerichtetes Spital erhält.

Finanzierung der Spitäler

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Die Kantonsspitäler im Aargau (Baden, Aarau, Psychiatrische Denste) gehören vollständig dem Kanton. Sie müssen aber eigenwirtschaftlich funktionieren. Sie erhalten keine direkten Subventionen. Sie verdienen ihr Geld mit den Fallpauschalen. Eine Fallpauschale besteht aus der Baserate, die mit der Schwere eines Falles multipliziert wird. Je höher also die Baserate ist, desto mehr nimmt ein Spital ein. An zusätzlichen Eträgen erhält ein Spital Abgeltungen für die gemeinwirtschaftlichen Leistungen. Damit sind z. B. Ausbildungskurse für Ärztinnen gemeint oder der 24-Stunden-Betrieb der Ambulanz.

Von seinen Erträgen muss ein Spital einen Betrag zur Seite legen für Investitionen. Es muss Um- und Ausbauten und die Medizintechnik also selber bezahlen.

Der Kanton zahlt 55 Prozent der Spitalrechnungen aus dem ordentlichen Budget, also mit Steuergeldern. Je höher die Baserate ist, desto höher sind die Ausgaben des Kantons für die Spitäler.

Die Kantonsspital Aarau AG muss also 724 Millionen Franken auftreiben für den Neubau. Der Verwaltungsrat hat dafür einen Businessplan erstellt. Die Regierung liess diesen Plan von einem externen Büro prüfen. Und sie kommt zum Schluss, dass die 724 Millionen trag- und finanzierbar seien. Auch das teilte sie letzt Woche mit.

Nur: Auch hier muss man genauer hinschauen. Wichtige Passagen im Prüfungsbericht hat die Regierung nicht sehr aktiv kommuniziert, wohl weil sie ziemlich brisant sind. Im externen Bericht heisst es nämlich, der Businessplan funktioniere nur, wenn diverse Bedingungen erfüllt seien. Die wichtigsten:

  • Der Kanton verzichtet auf eine Dividende des KSA, er verzichtet also auf die Gewinnausschüttung.
  • Die Tarife, also die Baserate, müssen erhöht werden.
  • Die Abgeltungen für die gemeinwirtschaftlichen Leistungen GWL (z. B. Ambulanz rund um die Uhr) betragen 10 Millionen Franken pro Jahr.

Der Businessplan für die Finanzierung des neuen KSA funktioniert also eigentlich nur, wenn das KSA pro Jahr etliche Millionen Franken zusätzlich an Steuergeldern erhält.

Werden Forderungen erfüllt?

Hat die Regierung denn schon entschieden, dass sie auf die Dividende verzichtet? Wird sie auch beim Kantonsspital Baden die Gewinnausschüttung nicht einfordern? Das sei alles noch offen, sagt Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati auf Anfrage. Man müsse dazu die Eigentümerstrategie ändern.

Loggia
Legende: Der geplante KSA-Neubau soll viele der rund 40 Gebäude ersetzen, die momentan auf dem grossen Campus stehen. zvg/KSA

Ungewissheit gibt es auch bei den gemeinwirtschaftlichen Leistungen. Die Regierung beantragte im Budget 2020 dafür 10 Millionen Franken. Dieser Betrag scheint auch im Businessplan auf. Doch der Grosse Rat hat im Herbst nur knapp 3 Milllionen Franken bewilligt.

Gratwanderung als Regierungsrat?

Als Regierungsratskandidat hatte Jean-Pierre Gallati noch argumentiert, die GWL-Geldspritze von 10 Millionen für das KSA sei nicht gerechtfertigt. Als Regierungsrat weist er nun darauf hin, dass der Betrag von 10 Millionen immerhin im Finanzplan des Kantons ab 2021 enthalten sei.

Auch noch nichts entschieden sei bei den höheren Tarifen, also bei der Baserate, sagt Jean-Pierre Gallati: «Es wird wohl nicht so einfach und so schnell möglich sein, die Baserate zu erhöhen, selbst wenn der Regierungsrat zustimmen würde. Denn hier reden auch die Krankenkassen mit, und sie haben ein Beschwerderecht.» Er rechnet damit, dass das KSA über eine höhere Baserate pro Jahr 3 bis 5 Millionen Franken zusätzlich einnehmen würde.

Sowohl die Annahmen bei der Baserate wie auch bei den gemeinwirtschaftlichen Leistungen seien noch «spekulativ», sagt Regierungsrat Jean-Pierre Gallati. Anders gesagt: Die Regierung hat grünes Licht gegeben für den Businessplan für die Finanzierung des Neubaus des KSA, obwohl noch vieles unklar ist. Eine schwierige Situation für Gallati, der als Grossrat (SVP) bei den Finanzen immer genau hinschaute bei den Finanzen des KSA.

Als Regierungsrat muss er nun die Haltung des Kollegiums vertreten. Er sagt: «Seit Menschengedeken geben die einzelnen Mitglieder des Regierungsrates nicht bekannt, was ihre persönliche Meinung ist. Aber dass Fragen gestellt werden dürfen zu den Erträgen, Baserate, GWL, das ist ja selbstverständlich. Ich erwarte auch vom Parlament, dass man den Businessplan kritisch anschaut.»

Einschätzung SRF-Redaktor Stefan Ulrich

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Die Finanzierung des KSA-Neubaus dürfte noch einiges zu reden geben in der Politik. Allerdings hat der Grosse Rat keinen direkten Einfluss auf das KSA. Dieses ist eine eigenständige Firma. Der Verwaltungsrat hat alle Szenarien geprüft, auch solche ohne Erhöhung der Tarife und der GWL, und hat entschieden, dass er vorwärts macht mit dem Neubau. Das Geld dafür will er sich mit Krediten auf dem Kapitalmarkt beschaffen. Klar ist: Es braucht den Neubau, denn mit der aktuellen Betriebsstruktur kann das Kantonsspital schlicht und einfach nicht wirtschaftlich arbeiten.

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